Foto: epd-bild/Jens Schulze
Darf ein lutherischer Pfarrer einem aus der Kirche ausgetretenen Menschen das Abendmahl reichen?
Der Abendmahls-Frevel von Vöhringen
Jochen Teuffel, Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, hat ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt. Er hat einem ausgetretenen Gemeindeglied das Abendmahl gereicht und damit gegen die Ordnung der Kirche verstoßen. Der Pfarrer sagt, er handle nach dem Evangelium.

Es geschah am 2. März 2014 in der evangelischen Kirche in Vöhringen, einer bayerischen Kleinstadt direkt an der Grenze zu Baden-Württemberg. Im Gottesdienst feierte die Gemeinde mit Pfarrer Jochen Teuffel das Abendmahl. Daran nahm auch eine Frau teil, die zu Jahresbeginn aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern ausgetreten war. Dieser Austritt, das wusste Pfarrer Teuffel, hatte nichts mit der Kirchengemeinde zu tun, sondern bezog sich "allein auf die Landeskirche und die landeskirchliche Steuerpflicht", das hatte die Frau dem Pfarrer mitgeteilt. Sie wolle in Zukunft "auf freiwilliger Basis einen entsprechenden Geldbetrag (durch ihren Steuerberater berechnet) regelmäßig unserer Kirchengemeinde direkt zukommen lassen." Die Frau, ein aktives Gemeindeglied, will weiterhin am Gemeindeleben, an den Gottesdiensten und am Abendmahl teilnehmen, sie hat sich weder von der Gemeinschaft losgesagt, noch ist sie hinausgeworfen worden.

Pfarrer Jochen Teuffel von der evangelischen Kirchengemeinde Vöhringen

"Gemäß dem Wort unseres Herrn Jesus Christus (Matthäus 18,15-17; vgl. 1. Korinther 5,1-5) kann die Exkommunikation von getauften Kirchengliedern nur in der Gemeinde und durch die Gemeinde ausgesprochen werden", ist Jochen Teuffel überzeugt. "Somit kann ein Rechtsakt, der nach staatlichem Recht auf dem Standesamt und damit außerhalb der Kirche vollzogen wird, innerhalb der Kirche keine Exkommunikation zur Folge haben." Für ihn gehört die aus der Kirche ausgetretene Frau selbstverständlich weiterhin zur Gemeinde und für ihn spricht nichts gegen ihre Teilnahme am Abendmahl.

Doch nach den "Leitlinien kirchlichen Lebens der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD)" ist vollkommen klar: "Durch … Kirchenaustritt ist die Zulassung zum Abendmahl verloren." (A 3 Nr. 3 Abs. 6), es steht sogar noch ein weiteres Mal drin: "Wer aus der Kirche austritt, verliert die Zulassung zum Abendmahl…." (C 1 Nr. 5). Pfarrer Jochen Teuffel hat wissentlich gegen die Leitlinien verstoßen. In seiner Begründung zum Antrag auf ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst schreibt er: "Ich weiß, dass ich als Pfarrer grundsätzlich verpflichtet bin, meinen Dienst nach den Ordnungen der Kirche auszuführen (…). Meine Ordination bindet mich jedoch daran, das mir anvertraute Amt in Übereinstimmung mit Schrift und Bekenntnis auszuführen." Kirchenordnung oder Bekenntnis, was gilt? Der Pfarrer entschied sich dafür, seinem Gewissen zu folgen: "Durch mein Ordinationsgelübde bin ich daran gebunden, entsprechenden kirchenrechtlichen Bestimmungen zuwiderzuhandeln."

"Das tut zu meinem Gedächtnis"

In den Evangelien wird von Jesu letztem Mahl mit seinen Jüngern berichtet (Markus 14,22-24, Matthäus 26,26-28, Lukas 22,19-20), im 1. Korintherbrief (Kapitel 11, Verse 23b-25) stehen die Einsetzungsworte, wie sie in der Kirche gesprochen werden. Eine Kirchenmitgliedschaft als Voraussetzung zur Teilnahme am Abendmahl wird darin selbstverständlich nicht verlangt. Auch die zentrale lutherischen Bekenntnisschrift, die Confessio Augustana, nennt keine Bedingung. Darin heißt es, dass "die heiligen Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden" müssen (Artikel 7), von Kirchenordnungen distanzierten sich die Reformatoren schon 1530: "Für die wahre Einheit der Kirche ist es daher nicht nötig, überall die gleichen, von den Menschen eingesetzten kirchlichen Ordnungen einzuhalten" (ebenfalls Artikel 7).

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Das Zahlen der Kirchensteuer, so argumentiert Jochen Teuffel, dürfe nicht Voraussetzung für den Empfang des Abendmahls sein. Die Kirchensteuer sei "per Definition eine Zwangsabgabe" und stehe "nicht im Einklang mit dem Reich Gottes, macht sie doch Christen zu tribut-pflichtigen Subjekten". Das Kirchenrecht liege falsch, wenn es eine Verbindung "zwischen einer gesetzlichen Zwangsabgabe und dem Empfang des Altarsakraments" herstelle. "Mit solch einem Junktim werden innerhalb unserer Kirche Gesetz und Evangelium vermengt und die Lehre von der Rechtfertigung des Sünders allein durch Glauben an das Evangelium Jesu Christi in Frage gestellt."

Teuffel steht aus Prinzip hinter der Entscheidung der Frau aus seiner Gemeinde, formal aus der Kirche auszutreten: "Entzieht sich … ein Gemeindeglied einer kirchlichen Kirchensteuerpflicht, kann es sich zu Recht auf Schrift und Bekenntnis berufen." Ein freiwilliges Opfer für die Kirche, wie es die Ausgetretene leisten will, sei dagegen schriftgemäß, meint der Pfarrer und führt zum Beleg 2. Korinther 9,7 an: "Jeder aber gebe, wie er es sich im Herzen vorgenommen hat, ohne Bedauern und ohne Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb."

Gravierendes Fehlverhalten?

Pfarrer Jochen Teuffel geht es nicht allein darum, ob er am 2. März richtig oder falsch gehandelt hat. Mit seinem Antrag auf ein Disziplinarverfahren möchte er seine Landeskirche dazu drängen, sich einer größeren Frage zu stellen: "Ich vermisse die Bereitschaft von Kirchenleitungen, die Organisationsform und die Frage einer zukünftigen Kirchenfinanzierung wirklich zu thematisieren", schreibt Teuffel in einer Erklärung. Der Ausschluss vom Abendmahl ist für ihn "ein Präzedenzfall dafür, wie kirchenrechtlich dem Evangelium nicht entsprochen werden kann".

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Der Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern wird sich auf seiner nächsten Sitzung Mitte Mai mit Teuffels Antrag auf ein Disziplinarverfahren befassen. Vorher will die Landeskirche sich nicht inhaltlich zu dem Fall äußern. Im Allgemeinen könnten die Konsequenzen eines Disziplinarverfahrens von einer Rüge oder Ermahnung bis zur Entfernung aus dem Pfarrdienst reichen, sagt der stellverstretende Pressesprecher der bayerischen Landeskirche, Michael Mädler - je nachdem, "ob ein Fehlverhalten festgestellt wird und als wie gravierend es erachtet wird". Wahrscheinlich hat Pfarrer Teuffel aber keine allzu schlimme Strafe zu befürchten. Mädler geht jedenfalls davon aus, dass Vöhringen kein Einzelfall ist: "Häufig kontrollieren Pfarrer nicht, wer zum Abendmahl geht. Man kann grundsätzlich nicht ausschließen, dass mal jemand dabei ist, der nicht Kirchenmitglied ist."