Der Schweizer Soziologe, Politiker und Sachbuchautor Jean Ziegler
Foto: epd-bild/Stefan Trappe
Der Schweizer Soziologe, Politiker und Sachbuchautor Jean Ziegler
Ein Leben als Provokateur - Jean Ziegler wird 80
Jean Ziegler kämpft für das Recht der Kinder auf Nahrung und gegen die Finanzbranche. Seine Anhänger lieben seine harten Urteile, selbst in Korea werden seine Bücher gelesen.
19.04.2014
epd
Jan Dirk Herbermann

Auf der Rückfahrt aus dem französischen Lyon nach Genf machte das Auto verdächtige Geräusche. Jean Ziegler stoppte. Später erkannten Mechaniker: Der Motor war manipuliert worden. Hätte Ziegler nicht rechtzeitig angehalten, hätte er die Kontrolle über das Fahrzeug verloren. Bis heute ist er überzeugt: "Das war versuchter Mord. Sehr, sehr beunruhigend."

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An diesem Samstag (19. April) wird der Genfer Soziologe, Bestsellerautor, Globalisierungskritiker, Selbstdarsteller und UN-Funktionär 80 Jahre alt. Ziegler ist wohl einer der bekanntesten Eidgenossen - seine Enthüllungsbücher werden in Deutschland, den USA und selbst in Korea verkauft.

Der versuchte Anschlag auf sein Leben ereignete sich 2001. In den Jahren zuvor hatte Ziegler mit dem Buch "Die Schweiz, das Gold und die Toten" viele seiner Landsleute zum Kochen gebracht. Sätze wie "Hitler war ein Traumkunde für unsere Banken" brachten Ziegler den Ruf des Nestbeschmutzers ein.

"Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind. Das ist Massenmord"

Nachdem Ziegler mit der Legende von der unschuldigen Schweiz im Zweiten Weltkrieg aufgeräumt hatte, wendete sich der scharfzüngige Globalisierungskritiker in den vergangenen Jahren wieder internationalen Konflikten, der Finanzkrise und den multinationalen Konzernen zu. Dabei setzt der linke Wissenschaftler weiter auf Provokation: Als erster UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung verglich er israelische Soldaten im Gazastreifen mit "KZ-Wärtern der Nazis". Finanzmanager will der heutige Berater des UN-Menschenrechtsrates wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" vor Gericht sehen: "Ein Nürnberger Tribunal soll die Gauner verurteilen, welche die Krise verursacht haben."

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Auch Ziegler weiß: Solche Forderungen kommen nicht durch. Aber die Medien greifen sie gerne auf. So eilt der Schweizer auch im Rentenalter von Interview zu Interview, er schreibt Bücher im zwei-bis-drei-Jahres-Rhythmus. Sein letztes Werk trug den aufrüttelnden Titel: "Wir lassen sie verhungern." Darin schildert Ziegler seinen Kampf als UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. "Wir leben in einer barbarischen Weltordnung", resümiert er. "Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind. Das ist Massenmord." Es sind genau diese harten und zugespitzten Urteile, die Zieglers Anhänger so lieben.

Das Schweizer Establishment aber spart nicht mit Kritik. "Mit seinen Nachlässigkeiten macht Ziegler es seinen Gegnern fast schon zu einfach", lästert die vornehme "Neue Zürcher Zeitung". Andere beschuldigen ihn, er schiele vor allem auf die Auflage, rühre historische Halbwahrheiten und die Auswüchse seiner Fantasie gewieft zusammen.

Auf das Regime in Havanna lässt er nichts kommen

Der Sohn eines Richters und Armeeobersten wird am 19. April 1934 in Thun, Kanton Bern, geboren und nach seinem Vater auf den Namen Hans getauft. Nach dem Abitur kehrt er dem bürgerlich-protestantischem Elternhaus den Rücken und geht nach Paris. Inspiriert von nächtelangen Diskussionen in kommunistischen Zirkeln und Begegnungen mit dem Philosophen Jean-Paul Sartre, zieht es ihn in die Ferne. Ziegler geht als UN-Sonderbeauftragter in den Kongo-Krieg, wo er sich im Angesicht niedergemetzelter Kinder schwört, "nie mehr - nicht einmal mehr zufällig - auf der Seite der Henker zu stehen".

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Dann wechselt er Studienfach, Sprache, politische Couleur und Namen: Von der Jurisprudenz zur Soziologie, vom Deutschen zum Französischen, vom Gemäßigten zum Sozialisten - und von Hans zu Jean Ziegler. Als Genfer Uni-Professor findet er immer wieder Zeit, seine Heimat ins Visier zu nehmen. In einem seiner erfolgreichsten Bücher, "Die Schweiz wäscht weißer", geißelte er schon vor 30 Jahren die eidgenössischen Banken als "Finanzdrehscheibe des internationalen Verbrechens".

Immer wieder suchte der Querulant die Nähe von autoritären Herrschern wie Kubas Fidel Castro - solange diese den gleichen Kampf gegen den US-Imperialismus führten wie er selbst. Auf das Regime in Havanna lässt er bis heute nichts kommen. "Ich stehe uneingeschränkt hinter dem kubanischen Modell - dort gehen alle Kinder zur Schule, haben alle Kinder eine medizinische Versorgung und vor allem, alle Kinder haben zu essen."