Als Lisa Wagner vor drei Jahren für ihre Rolle als Verteidigerin eines Mörders in einem "Tatort" aus München ("Nie wieder frei sein") mit diversen Auszeichnungen geehrt wurde (darunter Grimme-Preis und Bayerischer Fernsehpreis), kam die Schauspielerin, damals Anfang dreißig, quasi aus dem Nichts. Es folgten allerdings nur wenige Rollen, in denen sie ihre typische, auf den ersten Blick immer etwas unterkühlt wirkende Präsenz einbringen konnte (etwa das Geschwisterdrama "Gestern waren wir Fremde"). Die neue ZDF-Samstagskrimireihe "Kommissarin Heller" ist daher ein doppelter Glücksfall: Die Titelfigur ist eine tolle Rolle; und Lisa Wagner ist die perfekte Besetzung.
Der Fall vom See
Die Filme basieren auf einer Romanreihe von Silvia Roth. "Die Jahre am Weiher", die Vorlage für den Auftaktfilm "Tod am Weiher", ist allerdings bereits der zweite Band. Im Zentrum der Bücher steht ohnehin explizit ein Duo: Winnie Heller (Lisa Wagner) und ihr Kollege Hendrik Verhoeven (Hans-Jochen Wagner, weder verwandt noch verschwägert) sind durchaus gleichberechtigt. In den Verfilmungen rückt zwar die Titelrolle stärker in den Vordergrund, aber der verheiratete Verhoeven ist nicht zuletzt aus dramaturgischen Gründen ein wichtiges Gegengewicht: Die aus Köln in ihre Heimatstadt Wiesbaden versetzte junge Kollegin soll frischen Wind in die Abteilung bringen, was dem alten Hasen erst mal nicht schmeckt. Zunächst haben die beiden allerdings ganz andere Sorgen: In einem Haus an einem entlegenen kleinen See liegt eine Frauenleiche; kurz zuvor ist ein kleines Mädchen am helllichten Tag auf einem Spielplatz entführt worden. Der Fall vom See kann eigentlich umgehend zu den Akten gelegt werden, schließlich hat der Ehemann (Markus Hering) nicht nur die Polizei gerufen, sondern auch gestanden, dass er seine Gattin Lilli ertränkt hat. Aber Winnie Heller spürt, dass sich hinter dem Tod der Frau, die von ihrem Mann offenbar jahrelang eingesperrt worden ist, eine Tragödie ungleich größeren Ausmaßes verbirgt; und selbstverständlich hängt auch die Entführung des kurz darauf allerdings wieder freigelassenen Mädchens mit dem Mord zusammen.
Das Drehbuch verteilt die Handlung auf gleich vier Erzählstränge. Zu den beiden aktuellen Fällen kommt ein weiterer, der viele Jahre zurückliegt: Auch damals sind zwei Mädchen entführt worden. Geschickt nutzt Autor Mathias Klaschka zudem die private Ebene, um die Ermittlungen zu reflektieren. Im Grunde erzählt "Tod am Weiher" von Opfern, die zu Tätern werden, und das über mehrere Generationen hinweg. Der Kommissarin geht das Schicksal der ermordeten Lilli und ihrer Schwester (Anne Ratte-Polle) auch deshalb nahe, weil ihre eigene Schwester nach einem Autounfall, den ihr betrunkener Vater verursacht hat, seit über einem Jahr im Koma liegt; ähnlich wie die beiden Schwestern hat auch Heller jeglichen Kontakt zu den Eltern abgebrochen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Der Kollege, von Hans-Jochen Wagner mit einer reizvollen Mischung aus Resolutheit und Reserviertheit verkörpert, kommt etwas kürzer als in den Büchern Silvia Roths, hat aber ebenfalls seine Szenen, die die düstere Geschichte aufhellen, ohne allerdings komödiantisch sein zu wollen. Christiane Balthasar, deren hochinteressantes Drama "Der Wagner-Clan" im ZDF weit unter Wert gelaufen ist, lässt mit ihrer Inszenierung von Anfang an keinen Zweifel daran, dass "Tod am Weiher" vor allem von emotionaler und psychologischer Spannung lebt. Kurze, einschlussartige und akustisch entsprechend unterlegte optische Verfremdungen genügen, um eine Thriller-Atmosphäre herzustellen. Die Tonspur spielt ohnehin eine wichtige Rolle, aber das gilt noch mehr für die herausragende Bildgestaltung; und das nicht nur, weil Hannes Hubach, Balthasars bevorzugter Kameramann, einige Einstellungen von zauberhafter Schönheit gestaltet hat. Auch das Produktionsdesign (Su Proebster) trägt gerade mit dem geradezu liebevoll dekorierten Holzhaus am See viel zur speziellen Stimmung des Films bei. Mit "Tod am Weiher" ist dem ZDF in jedem Fall ein ungleich besserer Reihenauftakt gelungen als im Februar 2013 mit dem personell und atmosphärisch durchaus vergleichbaren ersten Taunus-Krimi ("Eine unbeliebte Frau") nach Nele Neuhaus.