Foto: epd-bild/Katharina Hesse
Das Wangfujing Buchgeschäft in Peking: Nach Büchern von Regimekritikern wie Liu Xiaobo oder Ai Weiwei sucht man in Chinas Läden vergeblich.
Der Kampf der Pekinger Papierjäger
Ai Weiwei - Chinas Umgang mit den Kreativen
In China unterliegen Bücher, Filme, Fernsehen, Zeitungen und Kunst einer strengen Zensur. Wer verstehen will, warum der Staat China insbesondere soviel politische Sprengkraft in Ai Weiweis Werk sieht, sollte sich die kleine graue Fensterkurbel aus einem chinesischen Auto näher anschauen. Zu sehen ist sie in der großen Schau des Konzeptkünstlers "Evidence/Zeugnis" im Berliner Martin-Gropius-Bau, die nächste Woche in Ai Weiweis Abwesenheit eröffnet wird.
30.03.2014
epd
Sigrid Hoff

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Der Berliner Galerist Alexander Ochs kennt die Hintergründe der signierten Handkurbel. Auf einer Parteikonferenz wurden die Taxifahrer Chinas angewiesen, die Fensterkurbeln an den hinteren Sitzen ihrer Taxis herauszunehmen. Damit sollte verhindert werden, dass Fahrgäste das Fenster öffnen, etwas hinauswerfen, laut rufen oder auf andere Weise ihren Unmut über die Situation in China demonstrieren. "Ai Weiwei hat mir diese Fensterkurbel geschenkt", erzählt Alexander Ochs. "Er weiß, wenn ich das in Deutschland erzähle, erzähle ich auch von dieser Form der Repression in China."

Vor wenigen Tagen übergab Ochs mit anderen deutschen Freunden Ai Weiweis, darunter der Berliner Akademiepräsident und Plakatkünstler Klaus Staeck und der Direktor des Museums für Asiatische Kunst, Klaas Ruitenbeek, einen Offenen Brief an die Bundesregierung. Anlass ist der bis Sonntag dauernde dreitägige Staatsbesuch des neuen chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Deutschland. Die Freunde Ai Weiweis appellierten an die Bundeskanzlerin, sich bei ihren Gesprächen mit Chinas Staatschef für die Reisefreiheit des Künstlers einzusetzen.

China verweigert Ai Weiwei den Reisepass

An der Eröffnung seiner 3.000 Quadratmeter großen Werkschau am Donnerstag kommender Woche in Berlin wird Ai Weiwei nicht teilnehmen können. Die chinesischen Behörden verweigern ihm seinen Reisepass. Seit seiner Verhaftung 2011, die sich am 3. April zum dritten Mal jährt, wird dem 56-Jährigen der Pass vorenthalten. Damals wurde er unter fadenscheinigen Gründen auf dem Flughafen in Peking festgenommen und 81 Tage an einem geheimen Ort inhaftiert. Anschließend bekam er einen einjährigen Hausarrest.

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Vor einem Monat reiste der Berliner Rechtsanwalt und Kunstmäzen Peter Raue eigens nach Peking, um mit Ai Weiwei zu sprechen und sich ein Bild von den Vorwürfen der chinesischen Behörden zu machen. Sein Fazit: "Es gibt überhaupt kein rechtlich relevantes Verfahren gegen den Künstler, der Vorwurf der Steuerhinterziehung ist absurd, es gibt auch keinen Prozess." Auch der Verdacht, Ai Weiwei habe möglicherweise ein Abkommen mit der Regierung geschlossen, das ihm Ausstellungsmöglichkeiten im Ausland gewährt, habe sich nicht bestätigt, sagt Raue. "Wenn er kritische Arbeiten verschifft, bekommt er einen Anruf der Polizei, wohin diese Arbeiten gehen. Wenn das Ziel außerhalb Chinas liegt, dann ist das in Ordnung. In China darf er aber nicht ausstellen."

Wenige Kollegen solidarisieren sich öffentlich

Die Situation in dem Land ist für westliche Beobachter schwer durchschaubar. Bildende Künstler werden seit Jahren durchaus hofiert, der Kunstmarkt in China boomt. Doch ausstellen darf nur, wer sich mit dem System arrangiert und weitgehend unkritisch bleibt. Wer offene Kritik wagt, hat es schwer und wird mit Repressalien belegt. So gibt es auch nur wenige Kollegen, die sich mit Ai Weiwei öffentlich solidarisieren.

Dabei scheinen die chinesischen Oberen die Schrift noch mehr zu fürchten als die bildende Kunst. Die Liste der inhaftierten Schriftsteller ist lang, am prominentesten ist der Name des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo.

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Die Richtlinien der chinesischen Machthaber sind klar: über Meinungsfreiheit und Menschenrechte, über Gewaltenteilung darf nicht diskutiert werden. Wer Korruption und Machtmissbrauch anklagt, wie Ai Weiwei das mit seinen Kunstwerken seit Jahren tut, setzt sich der Gefahr der Inhaftierung aus.

Der Konzeptkünstler setzt sich zwar über viele Verbote hinweg, doch die Mehrheit der Chinesen weiß davon nichts. Ai Weiweis Blog wurde vor Jahren geschlossen, er kommuniziert über Twitter mit seiner Fangemeinde und verschickt Fotos über Instagram - auch eine Form der künstlerischen Äußerung, die jedoch in der chinesischen Öffentlichkeit nur von seinen Anhängern wahrgenommen wird. Unerschrocken hält er an seiner kritischen Auffassung zu den Machthabern fest. Seine Kunst ist kein Papiertiger, auch wenn Papierjäger die Freiheit der Kunst in China verfolgen.