"Unsere Studentinnen sind im Zwiespalt: Darf ich auf das Kopftuch verzichten, um Geld zu verdienen, oder sind die religiösen Bestimmungen wichtiger?", sagt Mouez Khalfaoui, Juniorprofessor für Islamisches Recht in Tübingen. "Es wäre sehr enttäuschend für sie, wenn sie wegen ihres Kopftuchs nicht in den Schuldienst aufgenommen werden."
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Alles begann mit dem Fall der Fereshta Ludin. Weil die Referendarin ein Kopftuch trug, hatte das Oberschulamt Stuttgart 1998 die Einstellung der damals 26-jährigen Grundschullehrerin trotz bester Noten verweigert. Aufgrund Ludins Klage erklärte das Bundesverfassungsgericht 2003 ein Kopftuchverbot für zulässig, wenn es auf einem entsprechenden Landesgesetz fußt.
Am 1. April 2004 verabschiedete der baden-württembergische Landtag als daraufhin eine Änderung des Schulgesetzes. Danach dürfen Lehrkräfte an öffentlichen Schulen keine "politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören." Gemeint war vor allem das muslimische Kopftuch.
In den folgenden Jahren änderten acht der 16 Länder ihre Schulgesetze und verboten damit Lehrerinnen das Kopftuch. Baden-Württemberg, das Saarland und Nordrhein-Westfalen nahmen dabei christliche Zeichen ausdrücklich aus.
Disziplinarmaßnahmen blieben aus
2006 gab es ein weiteres Kopftuch-Urteil in Baden-Württemberg: Doris Graber, Hauptschullehrerin in Stuttgart, war 1984 zum Islam übergetreten. Seit 1995 trug sie während des Dienstes ein Kopftuch - aus religiösen Gründen, wie sie dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. "Es ist im Koran so vorgeschrieben, ich handle nach einem koranischen Gebot." Weil sie zwar ihre Haare bedeckte, aber Ohren und Hals frei ließ, hätten ihre Schüler lange Zeit gar nicht begriffen, dass sie das Tuch aus Glaubensgründen trug. "Das Tuch war bei Schülern, Eltern und Kollegen nie ein Thema, es gab keinerlei Konflikte", sagt sie.
Vor dem baden-württembergischen Verwaltungsgericht klagte sie gegen das bestehende Kopftuch-Urteil - und gewann 2006 in erster Instanz. Sie hatte darauf hingewiesen, dass an einer staatlichen Schule in der Nähe von Baden-Baden katholische Nonnen in ihrer Ordenstracht unterrichten dürfen. "Das ist ja auch gut, dagegen habe ich nichts, aber warum sollen sie das dürfen und ich nicht?", so Graber.
Am 18. März 2008 entschied der Verwaltungsgerichtshof, dass die damals 58-jährige Pädagogin ihr Kopftuch abnehmen muss. Trotzdem konnte sie die verbleibenden drei Jahre bis zum Beginn ihrer Altersteilzeit mit Kopftuch ohne Disziplinarmaßnahmen im Schuldienst bleiben, wohl auch deshalb, weil sie zu dieser Zeit eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einreichte und das Oberschulamt auf das Urteil warten wollte.
Darf das Christentum privilegiert werden?
Voraussichtlich noch in diesem Jahr werden die Karlsruher Verfassungsrichter wieder ein Kopftuch-Urteil fällen. Eine Lehrerin und eine Sozialpädagogin islamischen Glaubens, beide im Schuldienst in Nordrhein-Westfalen, sehen im Kopftuchverbot ihre vom Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit verletzt.
Ende Februar erklärte das Bundesverfassungsgericht, dass das "Kopftuch-Verfahren" ohne den Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof entschieden wird. Die beiden Musliminnen hatten ihn wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Kirchhof hatte das Land Baden-Württemberg in seiner Überarbeitung des Schulgesetzes beraten und sich dafür eingesetzt, abendländische und christliche Symbole ausdrücklich von dem Neutralitätsgebot für Lehrende auszunehmen.
Das höchste Gericht wird sich in seinem neuen Urteil nicht nur mit einem Quadratmeter Stoff befassen müssen - sondern mit Schulgesetzen und der Frage, ob das Christentum privilegiert werden darf.