Umgeben von Wiesen steht die rote Backsteinkirche nahe einem Schloss, in Sichtweite ist auch ein See - eine dörfliche Idylle. Zuweilen lautstark und seelisch belastend sind dagegen Tötungsverbrechen, Kämpfe zwischen gewaltbereiten Demonstranten oder schwere Verkehrsunfälle. Fast täglich sehen sich Polizisten in Sachsen-Anhalt mit solchen Fällen konfrontiert. Als bundesweit erste Polizeikirche ist die Kirche im Dessauer Ortsteil Großkühnau seit Mittwoch für sie Stätte der Besinnung und Begegnung.
Mit der Kirche gebe es nunmehr einen Ort für Feierlichkeiten und spezielle Gottesdienste, sagt der Landespolizeipfarrer der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Michael Bertling. Polizeibeamten werde in ihrem Dienst zugemutet, die Auswirkungen von Grenzverletzungen im Zusammenleben von Menschen zu ertragen und zu bewerten. Sie seien aber gleichzeitig selbst oft an Leib und Seele bedroht. Helfen könne ihnen ein Schutzraum außerhalb ihrer Dienststellen und ein Ort des Nachdenkens über Schuld und Versöhnung.
Auch die Ungläubigen sind eingeladen
Eingeladen seien alle Polizisten unabhängig davon, ob sie einer Kirche angehören oder wie sie zum christlichen Glauben stehen, betont der Pfarrer. Bertlings Stelle wird von der Landeskirche finanziert, sein Büro hat er in der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost in Dessau-Roßlau.
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Für die Zukunft sind in dem Sakralbau beispielsweise auch Familientage für Polizisten und ihre Angehörigen geplant. Zudem soll die Kirche für sie offenstehen für Taufen, Trauungen und Segnungen sowie für Gedenken an gestorbene Kollegen.
Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) lobt, dass seit der ersten Vereinbarung 1994 über die Zusammenarbeit die Polizei des Landes vom Engagement der Kirche geprägt sei. Die Pfarrer würden insbesondere durch die Seelsorge nach schweren Ereignissen einen erheblichen Beitrag zum Funktionieren der Polizei leisten. Nun eröffne die anhaltische Landeskirche "einen weiteren wichtigen Weg". Nicht nur in Zeiten nach einem schwierigen Einsatz oder gar bei Todesfällen, sondern ebenso im Alltag sei die Großkühnauer Kirche ein Ort, um Kraft zu schöpfen und Ruhe und Trost zu erfahren.
Seelsorge und Seminare
Von den in Sachsen-Anhalt tätigen Polizeivollzugsbeamten sind laut Ministerium nur etwa vier Prozent kirchlich gebunden. Gleichwohl unterscheide die Seelsorge nicht zwischen christlichen und nichtchristlichen Polizisten, sagt Stahlknecht. Die Seelsorger seien auch Ansprechpartner bei Fragen von Werten und Ethik, der Berufs- und Handlungsreflexion oder für die Stärkung der religiösen und interkulturellen Kompetenz der Beamten.
Vorbereitet würden auch berufsethische Seminare, erläutert Bertling. Das Projekt biete zudem eine Scharnierfunktion zwischen dem Land, der Polizei, der Kultur und der Kirchengemeinde. So befinde sich die Kirche am Schloss Großkühnau, in der die Kulturstiftung DessauWörlitz ihren Sitz hat.
Die Kirche ist Teil des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs, das zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Sie wurde von 1828 bis 1829 im neoromanischen Stil erbaut und ist aus historischen Gründen im Besitz des Landes Sachsen-Anhalt. Die evangelische Gemeinde hat ein Nutzungsrecht. Schon in der DDR war die Kirche war staatliches Eigentum, als Rechtsträger fungierte der Rat der Stadt Dessau.