Israelische Soldaten in der Ausgrabungsstätte
Foto: epd-bild/Debbie Hill
Israelische Soldaten in der Ausgrabungsstätte im Ost-Jerusalemer Stadtteil Silwan, das von Palästinensern bewohnt wird
Wer darf die Davidsstadt ausgraben?
Es gilt als ältester besiedelter Teil Jerusalems und wichtige "Fundgrube" für biblische Archäologie - das Dorf Silwan bei Jerusalem. Seine palästinensischen Bewohner fühlen sich von den Planungen für einen archäologischen Park übergangen.
23.03.2014
epd
Susanne Knaul

Über den alten Stadtmauern Jerusalems ragt die Kuppel der Al-Aqsa-Moschee und wirft am späten Nachmittag ihren Schatten auf Silwan. Das palästinensische Wohnviertel, in einer Talsenke gelegen, grenzt im Norden an die Altstadt und im Westen an die sogenannte Grüne Linie, die bis zum Sechs-Tage-Krieg 1967 Israel und Jordanien trennte. Die Bewohner von Silwan sind vom Schicksal bestraft. Denn sie wohnen genau an der Stelle, wo der biblischen Überlieferung zufolge David die Hauptstadt seines Königreichs gründete. Die sogenannte Davidsstadt gilt als wichtiger Ort für Ausgrabungen.

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Achmad Karain war gerade auf das Dach gestiegen, als er beobachtete, wie eine Gruppe von Archäologen den öffentlichen Parkplatz vor seinem Haus mit Wellblech und einem Zaun abriegelten. "Ich hatte keine Ahnung, wer diese Leute sind und was sie wollen", sagt er. Das war vor zehn Jahren. Wer durch die Ritzen im Zaun lukt, kann die alten Mauern, Säulen und Treppen sehen, die bei den Ausgrabungen freigelegt wurden. Auch unter seinem Haus werde gegraben, vermutet Karai. "Manchmal höre ich die Maschinen in der Nacht."

Wegen der Ausgrabungen habe ein kleines Café schon schließen müssen. Auch einen Spielplatz habe es einmal gegeben. Genau hier soll auf Pfeilern das neue "Kedem Zentrum" für Touristen entstehen. Geplant ist ein mehrstöckiges Gebäude mit Ausstellungs- und Lehrräumen und einer Aussichtsplattform mit Blick auf die Altstadt und auf Silwan. "16.000 Quadratmeter Nutzfläche", schimpft Karain, "nicht einer davon wird uns zugutekommen". Einzige Nutznießer seien die Israelis.

Vandalismus und Hass-Parolen

Unweit des künftigen "Kedem Zentrum" betreibt Karain seinen kleinen Lebensmittelladen. Die Nachbarschaft ist dicht bewohnt und ärmlich. Mitten im Wohnviertel liegt das Besucherzentrum "Ir David", hebräisch für "Davidsstadt". Ein Wachposten am Eingangstor trennt das Dorf von dem Zentrum, das seine Besucher mit Musik einer Harfe in empfängt, dem Instrument König Davids. Die Anlage ist aus weißem Stein und geschmackvoll begrünt.

Ausgrabungen in der sogenannten Davidsstadt im Ost-Jerusalemer Stadtteil Silwan

Das Zentrum geht auf die Initiative der Organisation Elad zurück, die auch Ausgrabungen organisiert und die Präsenz jüdischer Siedler in Silwan forciert. Von Siedlerorganisationen werden Grundstücke in Silwan gekauft, palästinensische Häuser, die ohne Genehmigung gebaut wurden, werden geräumt und abgerissen. Im Februar kam es zu Vandalismus-Aktionen radikaler Siedler. Aktivisten der Siedlergruppe "price tag" (Preisschild) schlitzten Reifen von 16 Autos und einem Bus auf und sprühten Hass-Parolen an palästinensische Häusern.

Elad betreibt das Besucherzentrum "Ir David" im Auftrag der Regierung. Auch die Stadtverwaltung von Jerusalem und die staatliche Behörde für Naturschutzparks arbeiten eng mit den Siedlern zusammen. Abgesehen von der fragwürdigen Zusammenarbeit der Behörden mit Elad stören sich Kritiker an der mangelnden Einbeziehung der Bewohner von Silwan. Die Frage bei den Ausgrabungen sei: "Was lässt du stehen, und welche Geschichte soll hier erzählt werden", sagt der israelische Archäologe Joni Misrachi." Er gehört zu der Initiative linker Archäologen "Emek Shaveh". In der Davidsstadt sehe man fast nichts aus der römischen Zeit.

Ein Ort, an dem sich biblische Geschichte ereignete

Stattdessen liegt die Betonung bei den Hinweistafeln auf den biblischen Geschichten aus dem Alten Testament. Für die Juden sei die Bibel "Teil der eigenen Identität", sagt Misrachi. Mit den Ausgrabungen werde das Gefühl verstärkt, "dass hier das jüdische Volk als Nation begann".

Auch für den christlichen Pilger lassen sich die Funde der Archäologen gut vermarkten. Die Stadt Jerusalem, so heißt es in der Regierungsentscheidung zur Förderung touristischer Einrichtungen, solle als "zentrales Motiv" des biblischen Zeitalters gefördert werden. Schließlich handele es sich um den authentischen Ort, an dem sich die biblische Geschichte ereignete.

Ginge es nur um die Ausgrabungen, dann wäre sogar der Palästinenser Karai ganz zufrieden. "Wir lernen gern über die Geschichte und möchten wissen, was hier früher war." Für die Israelis sei jedoch jeder Hinweis auf König David von politischer Bedeutung. Schon plant die Stadtverwaltung den Abriss weiteren 88 Häusern von Palästinensern, um Platz zu schaffen für einen archäologischen Park. "Weil König David vor 3.000 Jahren hier war, werden wir vertrieben", schimpft Karai.