"Ich habe keine Regierungserklärung vorbereitet", sagt der frisch gewählte Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, als er kurz nach elf Uhr in Münster im Innenhof des Priesterseminars vor die Kameras tritt. In vier Wahlgängen hat sich der Münchner Kardinal durchgesetzt. In den kommenden sechs Jahren wird er der Sprecher und Moderator der katholischen Bischöfe in Deutschland sein und damit das Bild der katholischen Kirche in der Öffentlichkeit entscheidend prägen.
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Schon einmal, nach dem Rücktritt von Kardinal Karl Lehmann 2008, war Marx für den Vorsitz der Bischofskonferenz im Gespräch. Inzwischen ist der 60-Jährige, der 2010 von Papst Benedikt XVI. zum Kardinal ernannt worden war, auf dem Zenit seiner Macht. Erst vor ein paar Tagen berief Papst Franziskus ihn zum Koordinator des neuen Wirtschaftsrats im Vatikan. Seit 2013 ist er Mitglied in dem von Franziskus eingesetzten Kardinalsrat zur Kurienreform. Zudem ist er Präsident der EU-Bischofskonferenzen. Entgegen der mehrfach geäußerten Kritik an dieser Ämterhäufung räumte Marx ein: "Man kann auch wieder Aufgaben abgeben und andere einbeziehen." Wie, das will er in nächster Zeit überdenken.
Der gebürtige Westfale war Weihbischof in Paderborn und Bischof von Trier, bevor er 2008 zum Erzbischof von München und Freising ernannt wurde. "Vielleicht sind das gute Voraussetzungen für den neuen Vorsitzenden, solch eine lange Reise durch das katholische Deutschland gegangen zu sein", mutmaßt er. Theologisch hat sich der neue Vorsitzende vor allem mit sozial-ethischen Positionen profiliert: Maßgeblich war er etwa an der Ausarbeitung der evangelisch-katholischen Sozialinitiative "Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft" beteiligt, die Ende Februar vorgestellt wurde.
"Evangelii Gaudium" wird Marx' Amtszeit prägen
Dem mit 75 Jahren aus Altersgründen scheidenden Vorsitzenden Robert Zollitsch fiel nach der Wahl sichtbar eine große Last von den Schultern. Er sei erleichtert, diese Aufgabe nun an einen anderen Bischof abzugeben, sagte der Freiburger Erzbischof, der als Administrator seines Bistums zum letzten Mal mitwählen durfte. Neben dem Papstbesuch 2011 fielen in Zollitsch sechsjährige Amtszeit als Vorsitzender der Bischofskonferenz die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle und der Skandal im Bistum Limburg.
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In der Causa Tebartz-van Elst ist das letze Wort noch nicht gesprochen: Der Prüfbericht zur Kostenexplosion beim Bau der Limburger Bischofsresidenz liegt der Bischofskongregation in Rom vor, eine Entscheidung wird frühestens nächste Woche erwartet. Angestoßen durch das undurchsichtige Finanzgebaren in Limburg steht die katholische Kirche zudem wegen ihrer rudimentären Offenlegung kirchlicher Finanzen in der Kritik.
Maßgeblich wird die Amtszeit des neuen Vorsitzenden jedoch von dem Apostolischen Schreiben "Evangelii Gaudium" geprägt sein, das Papst Franziskus zum Abschluss des Jahr des Glaubens 2013 veröffentlicht hatte. Darin fordert Franziskus eine tiefgreifende Reform der katholischen Kirche sowie eine Beteiligung aller Gläubigen an Entscheidungsprozessen. Dies dürfte auch im Interesse mehrerer Münsteraner Theologiestudenten sein, die sich mit einem "Zwischenruf" an die Bischöfe wenden. Darin warnen sie vor einer Spaltung zwischen Kirchenleitung und -basis.
Ein Schwerpunkt auf dem "Zentrum des Glaubens"
Und auch der Dialogprozess in der deutschen katholischen Kirche, ein bislang weitgehend zahnloser Tiger, wird unter der Ägide von Marx weitergehen. Angesichts des unter Zollitsch angestoßenen Dialogs zwischen Bischöfen und Laien warb der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, nach der Wahl für "eine offene und angstfreie Gesprächskultur". Weitere Herausforderungen für die katholische Kirche sind das kirchliche Arbeitsrecht, der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und die Positionierung bei der von Franziskus einberufenen Familiensynode im Herbst in Rom. Natürlich ist die katholische Kirche in Deutschland im Kernland der Reformation besonders herausgefordert, wenn 2017 das 500. Reformationsjubiläum ansteht.
Wie es der Zufall wollte, predigte der Kardinal Marx vor der Wahl bereits am Mittwochmorgen im Münsteraner Dom. Dabei warnte er vor einer Veränderung von Glaubensinhalten oder einer Anpassung an den Zeitgeist. Wichtig sei eine neue Schwerpunktsetzung auf das Zentrum des Glaubens, sagte er. In gewisser Weise kann das als Programm des neuen Vorsitzenden gewertet werden.