Den letzten Fachbesuchertag, den 7. März, erklärte die ITB zum CSR day. In einer Nebenhalle fanden Diskussionen über "Corporate Social Responsibility" statt. Das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" war federführend mit dabei. Mit Erfolg, immer mehr Reiseveranstalter erklären die Einhaltung und Förderung der Menschenrechte zum Bestandteil ihres Business-Konzepts.
"Mit Herz und Verstand"
Für die Geographin Antje Monshausen der Unterabteilung "Tourism Watch" bei Brot für die Welt gibt es so etwas wie den idealen Urlauber. Der vorbildliche Tourist informiert sich bereits vor der Reise eingehend über Land und Leute, die er besuchen möchte. So liest er sich zum Beispiel die kleine Broschüre "Fair reisen mit Herz und Verstand - Tipps für verantwortungsvolles Reisen" von Tourism Watch durch.
###mehr-artikel###Spontane Last-minute-Schnäppchen etwa für 199 Euro nach Ägypten sind für ihn tabu. Im all-inclusive-Hotel werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur importierte Waren serviert, nicht aber landestypische lokale Spezialitäten, von deren Verkauf dann auch die Einheimischen profitieren könnten. Der aufmerksame Gast setzt sich auch nicht in den Reise-Bus und lässt sich durch die Gegend kutschieren, sondern geht in die Altstadt und sucht Kontakt zu der Bevölkerung.
"Auch dem Uhrenverkäufer am Strand sollte man mit Respekt und Interesse begegnen. Der versucht auch nur seine Familie zu ernähren", meint Monshausen. Kurztrips in die weite Welt sind verpönt. Wenn über 2000 km geflogen wird, sollte die Aufenthaltsdauer mindestens 14 Tage betragen. Die extremen Emissionen beim Fliegen würden dadurch reduziert, wenn nicht permanent Kurzurlaube in die Karibik oder sonst wohin gestartet werden. Gerade deutsche Touristen wünschen sich zunehmend eine Reise mit dem Traumschiff.
Aber eine ökologische und sozial gerechte Kreuzfahrt gibt es derzeit auf der ganzen Welt noch nicht. Die riesigen schwimmenden Hotels verbrennen ungefiltert Schweröl und verpesten damit die Umwelt. Auf den Kreuzfahrtschiffen selbst herrschen in der Regel prekäre Arbeitsverhältnisse. Zigtausend Philippinos, Latinos und Afrikaner schuften schlecht bezahlt für die zahlenden Kabinengäste auf den Oberdecks.
Ist das Personal ausgeruht und zufrieden?
"Die Gleichung Tourismus gleich Entwicklung, mit dem Reisen tue ich Gutes, geht also nicht automatisch auf. Man muss genau schauen, welchem Reiseveranstalter ich für welche Leistung mein Geld gebe", sagt Monshausen. Der aufmerksame Urlauber achtet etwa darauf, ob das Personal ausgeruht und zufrieden ist. Wirkt es überarbeitet, so spricht er schon mal den Hotelmanager an und fragt nach fairen Arbeitsbedingungen. Da der erholungsbedürftige Urlauber sich aber vor allem ausruhen möchte, überlässt er die Qualitätsprüfung vorab den Fachleuten, die dafür Gütesiegel und Zertifikate verliehen haben.
Da es davon aber weltweit mehr als 100 gibt, orientiert er sich etwa an dem von tourism watch herausgegebenen labelguide. Die 20 besten Tourismussiegel sind dort zusammengestellt. Jedes Label wie "Blaue Schwalbe", "Green globe" bis "Smart Voyager" kann extern überprüft werden. Jedes hat einen ganzheitlichen Ansatz, der nicht nur ökologische, sondern auch soziale, kulturelle und ökonomische Faktoren berücksichtigt. In Deutschland ist vor allem das Siegel "csr tourism" verbreitet. Allerdings sind erst 80 Betriebe damit zertifiziert.
Absichtserklärungen müssen auch durchgesetzt werden
Doch der CSR-Markt wächst. Die Tourismusbranche stellt sich auf die zunehmend kritischen Verbraucher ein. Bereits 2006 unterzeichnete etwa die Kuoni Travel Ltd. den Kinderschutzkodex und setzte sich für die Einhaltung von fairen Arbeitsbedingungen in der Wertschöpfungskette ein. Doch die Frage ist, wie diese Absichtserklärungen vor Ort auch durchgesetzt werden.
###mehr-links###"Unsere Kunden erwarten die Einhaltung sozialer Standards. Die Einhaltung der Menschenrechte ist also tourismusökonomisch sehr sinnvoll. Aber die Umsetzung in den einzelnen Ländern ist schwierig. In Indien werden die Hotels meist von Männern geführt. Wie sollen wir da die Frauen reinbringen? Wie redet man mit Kindern, die sexuell ausgebeutet und mißbraucht werden? Da brauchen wir die Zusammenarbeit mit den NGOs wie etwa Unicef", sagt Matthias Leisinger von Kuoni. Seit dem Ende des Bürgerkrieges 2009 in Sri Lanka hat sich die innenpolitische Situation stabilisiert. Die Besucherzahlen haben sich auf rund 1,24 Millionen Besucher pro Jahr vervierfacht.
Altersgrenze für Kinder nötig
"Wie wollen gegen Kinderarbeit ankämpfen. Nur gibt es eben unsere Familienkultur. Die Eltern wollen die Kinder mit im Hotel oder bei der Begleitung touristischer Ausflüge haben, statt sie in die Schule zu schicken. Das müssen wir vorsichtig managen. Also ist die Einführung einer Kinderaltersgrenze nötig", sagt Vasantha Leelananda, Vizepräsident von Leisure Inbound Walkers Tours Sri Lanka.
Letztlich ist fairer Tourismus eine Frage des Geldes. Wenn man im und beim Urlaub vor allem sparen möchte, dann kann man dabei kaum die Einhaltung sozialer Standards erwarten. Billig bedeutet in der Regel immer auch Ausbeutung.
"Was bedeutet denn fairer Tourismus? Die Menschenrechte sind universal und nicht verhandelbar. Menschenrechte sind keine Wohlfahrtsveranstaltung reicher westlicher Touristen. Menschenrechte sind Mindeststandards. Also muss die Bezahlung der Eltern in den Hotels und touristischen Betrieben gerecht und ausreichend sein, damit sie ihre Kinder in die Schule statt zur Arbeit schicken können", fordert Wolfgang Weinz von der Internationalen Arbeiterorganisation ILO aus Genf.
Gute Urlauber sind somit auch immer aufmerksame Urlauber. Sich einfach nur bedienen zu lassen, ohne nach den Arbeits- und Lebensbedingungen im jeweiligen Land zu fragen, leistet Unrechtsstrukturen Vorschub. Die Reisenden können somit auch eine politische Funktion erfüllen."Wir brauchen einen aufgeklärten Tourismus. Wenn alle Kuba-Touristen nach den politischen Gefangenen im Land fragen würden, dann gebe es dort bald keine politischen Gefangenen mehr", sagt der Grünen-Politiker Tom Koenigs.
Dem Reisen seinen Wert zurückgeben
Das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt möchte das Reisen aber nicht vermiesen. Im Gegenteil, es gehe eben um die Ermöglichung von Qualitätsreisen. "Wir wollen dem Tourismus seinen Wert zurückgeben. Dass man eben auch Menschen kennen lernt, Kontakte knüpft, sich vielleicht sogar anschließend Briefe schreibt. Da erhält der Urlaub auch Nachhaltigkeit", sagt Antje Monshausen von Tourism Watch.