Auch früher schon waren viele Freitagsfilme im "Ersten" weitaus besser als der unrühmliche Ruf, der ihnen seit gut zehn Jahren anhängt. Mittlerweile aber zeigt die ARD immer öfter Produktionen, die sie durchaus auf dem ungleich anspruchsvolleren Mittwochstermin ausstrahlen könnte. Auch "Sprung ins Leben" erzählt keine Heile-Welt-Geschichte, im Gegenteil. Die Handlung beginnt mit einem Schock, denn innerhalb von einer Sekunde zerschellt eine vielversprechende Fußballerkarriere: Aus "Basti fantasti" wird "Basti, der Spasti", wie sich der junge Sebastian später verbittert selbst nennt.
Zerstörte Hoffnungen und neue Ziele
Zunächst jedoch beschreiben Regisseur Matthias Steurer und Autor Tim Krause (nach einer Vorlage von Mónica Simon) ein Bilderbuchleben: Sebastian (Lucas Reiber) ist 17, ein guter Schüler und ein noch besser Fußballspieler, er schwärmt für die Schulschönheit Jenny (Vivien Wulf), die seinem Werben nicht abgeneigt ist, und er versteht sich prima mit seiner alleinerziehenden Mutter Katharina (Simone Thomalla), die ihrerseits drauf und dran ist, Managerin eines Leipziger Fünf-Sterne-Hotels zu werden. Und dann kommt der Moment, der Sebastians Leben für immer ändert: Ein Mitspieler foult ihn vorsätzlich, Katharina holt ihn mit dem Auto ab, die beiden streiten sich, sie wirft sein Telefon auf die Rückbank, er schnallt sich ab, weil er sonst nicht drankommt, sie ist einen Augenblick lang abgelenkt.
Ein Schnitt überbrückt die zwei Monate nach dem Unfall: Sebastian sitzt im Rollstuhl, er kann seine Beine nicht mehr bewegen. Eine Therapie weckt Hoffnung, doch kurz drauf zerstört eine weitere Untersuchung alle Aussichten auf Besserung. Fortan konzentriert sich der Film auf die Beziehung zwischen Mutter und Sohn: Während Sebastian bereit ist, sein Schicksal zu akzeptieren, will Katharina nicht wahrhaben, dass er nie wieder gehen wird. Nicht zuletzt ihre Schuldgefühle führen zu einer Überfürsorglichkeit, die den Jungen zu ersticken droht. Sie vernachlässigt ihre Arbeit und stößt alle vor den Kopf, die es gut mit ihr meinen, darunter auch Pilot Janik (Götz Otto), mit dem sich Sebastian prima versteht und dem er einen neuen Traum verdankt; bis er zufällig mitanhört, wie Katharina zu Janik sagt, sein Leben sei kaputt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Steurer, ohnehin ein Regisseur mit viel Gespür für Zwischentöne ("Kleine Schiffe"), vermeidet es geschickt, die Geschichte als Melodram zu inszenieren. Natürlich haben Mutter und Sohn deprimierte Momente, aber der Film erzählt vor allem davon, wie man sich neue Ziele setzt. Das funktioniert, weil vor allem die jungen Darsteller vorzüglich sind. Gerade Lucas Reiber macht seine Sache ausgezeichnet. Richtig gut ist auch Cosima Lehninger als Mitschülerin Lea, die stets im Schatten von Jenny steht. Außerdem sorgt das Drehbuch immer wieder für Abwechslung; die Romanze zwischen Katharina und Janik zum Beispiel ist sehr sympathisch eingefädelt. Ein sehenswerter Film über die Zerbrechlichkeit des Lebens, der dennoch glaubwürdig versöhnlich endet.