Wenn Matti Geschonneck und Magnus Vattrodt gemeinsame Sache machen, darf man mit Fug und Recht besondere Filme erwarten. Der Regisseur und der Autor, beide vielfach ausgezeichnet, stehen ohnehin für Qualität, aber zusammen haben sie in den letzten Jahren Großes geleistet. Der Justizthriller "Das Ende einer Nacht" (Grimme-Preis und Deutscher Fernsehpreis) und das Drama "Liebesjahre" (gleichfalls Grimme-Preis) ragen sicherlich heraus, aber die Krimis "Tod einer Polizistin" und "Totenengel - Van Leeuwens zweiter Fall" waren nicht minder sehenswert.
Das perfekte Alibi
Nun haben die beiden eine neue Krimireihe für den Samstag im ZDF kreiert. Titelfigur Helen Dorn (Anna Loos) ist eine frühere Mitarbeiterin des Landeskriminalamts Düsseldorf, die sich vor einigen Jahren in ein einfaches Duisburger Kommissariat zurückgezogen hat. Als am Rheinufer eine tote Frau gefunden wird, lässt ihr früherer Chef (Stephan Bissmeier) sie mit dem Hubschrauber abholen: Die Leiche trägt bis ins kleinste Detail die Handschrift eines Serientäters (Harald Schrott), der damals unter Dorns Leitung verhaftet worden ist.
Schon die Geschichte ist enorm reizvoll, weil sie das Ermittlungs-Team mit einem scheinbaren Paradoxon konfrontiert: Der Mörder hat ein perfektes Alibi, er ist seit vier Jahren in Haft. Wenn keine übersinnlichen Kräfte im Spiel sind, muss die Sonderkommission damals einen schrecklichen Fehler begangen haben. Obwohl sich Vattrodts Drehbuch weitgehend auf die kriminalistische Ebene konzentriert, hat es weitaus mehr zu bieten als bloß Polizeiarbeit. Wunderbar lakonisch sind beispielsweise die gemeinsamen Momente der Kommissarin mit ihrem Vater (Ernst Stötzner), einem pensionierten Polizisten. Gerade in diesen Szenen zeigt sich eine der großen Stärken Geschonnecks.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Der falsche Mann wurde verurteilt
Die Bildgestaltung (Theo Bierkens) ist für einen Geschonneck-Film vergleichsweise zurückhaltend; "Totenengel" zum Beispiel war an Düsternis kaum zu übertreffen. Dafür ist Vattrodts Geschichte um so besser, selbst wenn man schon vorher weiß, was nach gut einer Stunde Gewissheit wird: Augenscheinlich ist vor vier Jahren der falsche Mann verurteilt worden. Und während man sich noch fragt, was im letzten Akt noch passieren könnte, verblüfft der Film mit einer Wendung, die nur kühne Couchkriminalisten kommen sehen.