HERR, erweise uns deine Gnade und gib uns dein Heil! Könnte ich doch hören, was Gott der HERR redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen, damit sie nicht in Torheit geraten. Doch ist ja seine Hilfe nahe denen, die ihn fürchten, dass in unserm Lande Ehre wohne; dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen; dass Treue auf der Erde wachse und Gerechtigkeit vom Himmel schaue; dass uns auch der HERR Gutes tue und unser Land seine Frucht gebe; dass Gerechtigkeit vor ihm her gehe und seinen Schritten folge. (Psalm 85, 8-14)
###mehr-artikel### Mit diesen Versen aus dem 85. Psalm werden Christen verschiedener Konfessionen an diesem Freitag ihr gemeinsames Fürbittengebet für die Ukraine im Berliner Dom eröffnen. Zwar ist das Thema des heutigen Weltgebetstages der Frauen eigentlich Ägypten, doch die aktuelle Entwicklung in der Ukraine erscheint der Berliner Domgemeinde und der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) drängender. Die Lage scheint so angespannt, dass bei der kleinsten falschen Bewegung eines Soldaten oder Politikers auf der Halbinsel Krim ein Krieg ausbrechen könnte. "Das wäre nicht nur eine regionale Katastrophe, sondern sie würde den ganzen Kontinent betreffen. Eine politische, ökonomische und menschliche Katastrophe", so sieht es Sergiy Dankiv, Pfarrer der ukrainisch-griechisch-katholischen Kirchengemeinde St. Nikolaus in Berlin, der sich heute Abend an dem Gebetsgottesdienst beteiligt. Diplomatisches Feingefühl ist in der Krim-Krise gefragt. Und die Kraft des Heiligen Geistes, meinen die Berliner Christen.
"Wir wollen beten für die Menschen in der Ukraine, für die, die gestorben sind bei dem Aufstand auf dem Maidan, dass Menschen sich finden, die Trauernden zu trösten", nennt der Berliner Landesbischof Markus Dröge eines der Hauptanliegen. "Wir werden dafür beten, dass alle Beteiligten Weisheit und Mut fassen, zu einer Deeskalation beizutragen, damit Frieden bewahrt werden kann." Domprediger Thomas Müller ergänzt: "Wir beten auch für die politischen Verantwortungsträger in Russland, Europa und den USA, dass sie Gespräche suchen und das nicht anheizen." Dabei stellen sich die Betenden nicht auf eine bestimmte Seite. Sie treten für alle ein, "die sich nach Frieden sehnen, gegen eine Spaltung Europas und der Ukraine, dass die Menschen zusammenbleiben", sagt Müller.
"Wir können nicht Gott vorschreiben, welche Wege er findet"
"Wir glauben als Christen an die Kraft des Heiligen Geistes, der ein Geist der Versöhnung ist. Und dass durch die Kraft des versöhnenden Geistes tatsächlich auch etwas in den Menschenherzen bewegt werden kann", bekennt Bischof Markus Dröge voller Überzeugung und ergänzt: "Ich glaube, dass Beten hilft. Wenn Menschen zusammenkommen und ein Gebetsanliegen vertreten, ist das eine ungeheure Kraft, allein schon im Bewusstsein der Menschen." Das Gebet hilft zunächst den Betenden selbst. "Wir möchten, dass sie einen Ort haben, wo sie ihre Sorgen vor Gott bringen", sagt Domprediger Müller. "So verstehen wir uns hier am Berliner Dom: dass wir den Menschen einen Raum geben." Müller hat einige in Berlin lebende Ukrainer persönlich kennengelernt und kennt ihre Sorgen.
###mehr-links### Auch Pfarrer Dankiv ist in Gedanken in seiner Heimat, der West-Ukraine. Auf die Frage, was Gebet ausrichten kann, antwortet er: "Wissen Sie, warum wir das geschafft haben in Kiew und in der Ukraine - bis jetzt? Es waren Christen da, griechisch-katholische Priester, orthodoxe Priester, die ukrainisch-orthodoxe Kirche, der lutherische Pastor und andere. Juden waren da und Muslime, die haben zusammen gebetet. Gegen Gewalt." Kann Gebet tatsächliche eine reale Veränderung bewirken, auch über die Menschenherzen hinaus? "Ich glaube, dass man beides zusammen sehen muss", sagt Bischof Markus Dröge. "Wir glauben als Christen natürlich, dass es nicht nur eine rein innerpsychische Angelegenheit ist, sondern dass tatsächlich die Gebete zum Himmel aufsteigen, bildlich gesprochen."
Gib Frieden, Herr, gib Frieden, die Welt nimmt schlimmen Lauf. Recht wird durch Macht entschieden, wer lügt, liegt obenauf. Das Unrecht geht im Schwange, wer stark ist, der gewinnt. Wir rufen: Herr, wie lange? Hilf uns, die friedlos sind.
Gib Frieden, Herr, wir bitten! Die Erde wartet sehr. Es wird so viel gelitten, die Furcht wächst mehr und mehr. Die Horizonte grollen, der Glaube spinnt sich ein. Hilf, wenn wir weichen wollen, und lass uns nicht allein.
Gib Frieden, Herr, gib Frieden: Denn trotzig und verzagt hat sich das Herz geschieden von dem, was Liebe sagt! Gib Mut zum Händereichen, zur Rede, die nicht lügt,und mach aus uns ein Zeichen dafür, dass Friede siegt. (Evangelisches Gesangbuch, Nr. 430)
So werden sie gemeinsam singen an diesem Freitagabend in Berlin, fast beschwörend auf Gott einsingen: "Gib Frieden!" Oft genug machen Menschen allerdings die Erfahrung, dass Gott Fürbitten offenbar nicht erhört. Dass das, worum gebetet wurde, nicht eintritt. Trotz eines Gebetes bricht Krieg aus, trotz vieler Gebete kehrt in Syrien kein Friede ein, Menschen hungern oder sind gefangen. "Das ist richtig", räumt Bischof Dröge ein. "Wir können ja auch nur beten, dass Gott Wege findet, etwas zu verändern. Wir können aber nicht Gott vorschreiben, welche Wege er findet. Gebete haben nicht den Effekt, dass wir eine bestimmte Entwicklung herbeibeten können." Domprediger Thomas Müller drückt es so aus: "Fürbittengebet geht fest davon aus, dass Beten nützt. Aber natürlich immer unter dem Vorbehalt: 'Dein Wille geschehe'."
"Das ist eine normale Sache, dass wir beten"
Die Evangelischen in der Hauptstadt haben viel Kontakt zu Gemeinden fremder Sprachen und Kulturen. "Die empfinden das als eine ganz große Solidarität und Stärkung, wenn wir hier, wir Deutschen, mit ihnen beten für die Situation in ihren Heimatländern", so die Erfahrung von Bischof Markus Dröge. Doch der ukrainische Pfarrer Sergiy Dankiv dagegen möchte das Ganze gar nicht so hoch hängen: "Das ist eine normale Sache, dass wir beten." Er und seine Glaubensgeschwister können gar nicht anders angesichts ihrer großen Sorge um die Ukraine. "Ich wünsche uns allen Frieden und Gottes Segen", sagt Dankiv mit fester Simme.
Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen, sondern überall uns zu dir bekennen. Nie sind wir allein, stets sind wir die Deinen. Lachen oder Weinen wird gesegnet sein.
Frieden gabst du schon, Frieden muss noch werden, wie du ihn versprichst uns zum Wohl auf Erden. Hilf, dass wir ihn tun, wo wir ihn erspähen – die mit Tränen säen, werden in ihm ruhn.
Komm, Herr, segne uns, dass wir uns nicht trennen, sondern überall uns zu dir bekennen. Nie sind wir allein, stets sind wir die Deinen. Lachen oder Weinen wird gesegnet sein.
###mehr-info### Mit diesem Friedens- und Segenslied von Dieter Trautwein werden sie den gemeinsamen Gebetsgottesdienst im Berliner Dom an diesem Freitagabend abschließen. Im Glauben, dass das Gebet zum Himmel aufsteigt und in der Gewissheit, dass sie als Christen - ob evangelisch, katholisch oder orthodox - miteinander verbunden sind und füreinander eintreten.