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An den Rändern Europas gibt es immer wieder gewaltsame Konflikte: 1998/99 der Kosovo-Krieg, 1999 bis 2009 der Tschetschenienkrieg, 2008 der Georgien-Krieg, jetzt die Krise auf der ukrainischen Halbinsel Krim.
Renke Brahms: "Ich glaube, Europa ist ein Friedensprojekt"
Angesichts der Krise auf der Krim vertraut der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Renke Brahms, auf die Erfahrungen der europäischen Friedensgeschichte. Politiker dürften jetzt den Gesprächsfaden mit Russland nicht abreißen lassen, und die Kirchen in der Ukraine und in ganz Europa sollten für Frieden beten - am besten gemeinsam.
03.03.2014
evangelisch.de
Hanno Terbuyken und Anne Kampf

Droht ein Krieg zwischen zwei Staaten am Rande Europas, wenn Russland auf der Krim sein Militär einsetzt?

###mehr-personen### Renke Brahms: Ich hoffe natürlich sehr, dass es nicht so weit eskaliert, dass es zu einem Krieg kommt. Die Situation ist schon ausgesprochen fragil und auch sehr besorgniserregend. Die Ukraine ist ja schon von alter Geschichte her ein Ort, an dem westliche Einflusssphären mit östlichen/russischen aufeinandertreffen,  gerade auf der Krim. Ich hoffe, dass alle so viel gelernt haben, dass nicht durch eine Unvorsichtigkeit ein Krieg ausgelöst wird - ausgerechnet in einem Jahr, in dem wir uns an den ersten Weltkrieg erinnern. Die andere Frage ist allerdings, ob dort ein Bürgerkrieg ausbricht, also ob es nicht auch ohne das Eingreifen von außen zu Auseinandersetzungen kommt, das ist für mich erst einmal vorrangig. Wie kann das eigentlich vermieden werden? Wie können beide Ebenen vermieden werden?

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat gesagt: "25 Jahre nach dem Ende der Blockkonfrontation ist die Gefahr einer erneuten Spaltung Europas real." Sehen Sie das auch so?

Brahms: Die Gefahr sehe ich auch. Ob es eine Spaltung ist? Auf jeden Falls sind es Spannungen, die eine überwunden geglaubte Konfrontation wieder aufbrechen lassen. Deswegen ist, glaube ich, höchste Vorsicht geboten sowohl in der Wortwahl als auch in den Instrumenten, die jetzt genutzt werden. Ich bin sehr bei allen Politikern, die jetzt sagen: "Der Gesprächsfaden darf nicht abreißen." Ich halte das für eine gute Idee, im Rahmen der OSZE zu versuchen, hier Gespräche herzustellen oder so etwas wie eine Kontaktgruppe, denn genau so etwas sind die Erfahrungen, auf die man in Europa zurückgreifen kann.

"Es ist eines der ganz starken Zeichen, wenn unterschiedliche Konfessionen miteinander für den Frieden beten können"

Kann also Europa eine demokratische, friedliche Lösung dieses Konflikts befördern?

Brahms: Ich glaube ja, im Moment vor allen Dingen durch das Angebot von Gesprächen und dadurch, dass man Gespräche nicht abreißen lässt. Ich glaube, es besteht keine Alternative. Ich halte nicht so viel davon, jetzt zu drohen, Russland aus der Gemeinschaft der G8 auszuschließen oder mit Sanktionen zu drohen. Man muss auch ein gewisses Verständnis für Bedrohungssituationen entwickeln, die auf beiden Seiten entstehen können. Und man muss vor allen Dingen die ukrainischen Kräfte stärken und den Prozess stärken, in dem es um Transparenz geht, um offene Informationen. Denn das, was ja im Moment passiert, ist, dass man wieder unterschiedliche Feindbilder aufbaut. Das erschwert jegliche Kommunikation und führt eher zur Eskalation.

Eine der größten Errungenschaften der Europäischen Union ist ja, dass schon sehr lange Frieden herrscht. Aber an den Rändern gibt es immer wieder gewaltsame Konflikte: 1998/99 den Kosovo-Krieg, 1999 bis 2009 den Tschetschenienkrieg, 2008 den Georgien-Krieg. Wie weit reicht der friedensstiftende Einfluss Europas?

###mehr-artikel### Brahms: Europa ist ein einmaliges Projekt, ein Friedensprojekt. Das hat die Nachkriegsgeschichte ja auch gezeigt: Das, was im Westen gelungen ist in der Aussöhnung zwischen Deutschland, Frankreich, Polen, England und anderen Staaten, hat ja eine ganze Weile gedauert. Deswegen ist auch ein Prozess unter Einschluss der jetzt am östlichen Rand liegenden Länder ein langer Prozess. Und das, was wir sehen, sind im Grunde genommen ganz ähnliche Dinge, die auch schon an anderen Stellen passiert sind. Von daher glaube ich, ist das jetzt ein Prozess, der die Erfahrungen der europäischen Friedensgeschichte aufnehmen muss und deswegen gehört für mich eben kluge Verhandlung, Diplomatie und Begegnung dazu - und Aussöhnungsprozesse.

Genau das lehrt uns die Geschichte Europas: Wie kann das gelingen, zum Beispiel in der Ukraine zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen? Es muss ja dauerhaft gelingen, damit man sich gegenseitig versteht - die Situation der russischen Mehrheiten oder Minderheiten in den jeweiligen Landstrichen und wiederum auch die anderen, die jetzt in Kiew auf dem Maidan protestieren und den Weg nach Europa und in den Westen suchen. Wie kann man das eigentlich hinkriegen? Die Kirchen in Europa sollten zu diesem Gespräch beitragen, denn das müssen wir zivilgesellschaftlich unterstützen.

Wie können die Kirchen - in der Ökumene mit den Ostkirchen - diesen europäischen Frieden konkret fördern? Hilft es, für Frieden zu beten? Dazu haben ja schon Kirchenoberhäupter aufgerufen.

###mehr-links### Brahms: Natürlich, es ist mein Glaube, dass  das Beten hilft. Es ist auch ein Aufruf, dies gemeinsam zu tun. Wenn wir in Deutschland für diesen Frieden eintreten, sollten wir es ökumenisch tun, mit unterschiedlichen Konfessionen. Die Geschichte in der Ukraine zeigt ja sogar, auf dem Maidan und in den Kirchen am Maidan oder auch in den Moscheen, dass es sogar religionsübergreifend gelingen kann, sich zu unterstützen und den Menschen zu helfen. Das muss eigentlich gelingen: dass es ein gemeinsames Zeichen der Kirchen wird. Es ist eines der ganz starken Zeichen, wenn unterschiedliche Konfessionen miteinander für den Frieden beten können. Das wünsche ich mir sehr - auch für die Konfessionen und die Kirchen in der Ukraine.