Herr Heinrich, Sie haben vor anderthalb Jahren den Aufruf der "Wilden 13" der CDU für eine steuerrechtliche Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften unterzeichnet. Gleichzeitig sind Sie im Hauptvorstand der als konservativ geltenden Deutschen Evangelischen Allianz. Wie verträgt sich das?
Frank Heinrich: In der Öffentlichkeit wird die Deutsche Evangelische Allianz oft auf wenige Themen und Personen reduziert. Das ist eine Zuspitzung, die nicht stimmt. Hartmut Steeb, der Generalsekretär, ist ein guter Freund von mir, aber wir haben nicht in allen Punkten die gleiche Meinung. Die Evangelische Allianz ist ein breites Netzwerk mit vielen unterschiedlichen ethischen Positionen, verbunden im Glauben an Jesus Christus und im Gebet.
###mehr-artikel###
Wie lebhaft ist denn die Debatte innerhalb der Evangelischen Allianz über Homosexualität?
Heinrich: Da gibt es rege Diskussionen. Ich glaube allerdings nicht, dass sich alle daran beteiligen. Es ist für viele nach wie vor ein Tabu-Thema.
Wünschen Sie sich mehr Auseinandersetzung?
Heinrich: Ja und nein. Es gibt viel Unbehagen bei dem Thema. Deswegen ist es gut, wenn wir das Tabu brechen und miteinander sprechen. Andererseits: Warum sollten wir Themen immer dann diskutieren, wenn sie von außen an uns heran getragen werden? Ich würde andere Themen viel lieber besprechen: den Umgang mit Geld, Militäreinsätze, geistliche Themen wie Liebe. Die innere und äußere Engführung auf "typische" Themen gefällt mir nicht.
Ist die Öffentlichkeit schuld, wenn sie der Evangelischen Allianz eine konservative Haltung zuschreibt, an der man sich gern reibt?
Heinrich: Nein, das ist ein Wechselspiel. Die Evangelische Allianz macht das Thema Homosexualität aus einem Reflex zu ihrem Thema. Im Gegensatz dazu sucht die Medienöffentlichkeit die Zuspitzung.
Kann die denn vermieden werden?
Heinrich: Ich bin sehr dafür, das Feuer aus der Debatte zu nehmen und besser hinzuhören. Mir wäre lieber, man unterhält sich miteinander hinter verschlossenen Türen - und geht dann mit gegenseitigem Respekt an die Öffentlichkeit. Außerdem sollten wir das Thema viel breiter diskutieren. Häufig wird die Debatte um Gleichstellung als rein sexualisierte Debatte geführt. Dabei geht es dahinter um Werte wie Treue, Familie, Zusammenhalt, Beistand. Schwule und Lesben fühlen sich zurecht diskriminiert, wenn sie auf Sexualität reduziert werden. Diese Reduktion ist unangemessen. Menschen sind mehr als ihre Sexualität. Im übrigen: Viele konservative Werte werden auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gelebt, das gilt es anzuerkennen.
"Als Christ möchte ich völlig vorbehaltlos auf jeden Menschen zugehen können"
Wie begründen Sie mit dem Glauben Ihre Einstellung zu Homosexualität? Wie weit würden Sie bei der Gleichstellung gehen?
Heinrich: Meinen Glaube verstehe ich nicht als Zaun, der mir von vornherein sagt, wie weit ich gehen würde. Als Christ möchte ich völlig vorbehaltlos auf jeden Menschen zugehen können. Wo mir das nicht gelingt, muss ich mit mir selber ins Reine kommen. Die Frage muss sich der Schwule stellen, der andere als "homophob" verunglimpft, und auch der Christ, der das Ende der Zeiten heranbrechen sieht. Ich muss als Christ die Reihenfolge der Werte hinkriegen. Werte wie Treue, Wertschätzung, Menschenwürde, Gleichheit münden im Liebesgebot - für uns Christen der höchste Wert. In der Diskussion um Gleichstellung von Schwulen und Lesben verrutschen wir hin und wieder in der Liga. Da steigt die Meinung zu Homosexualität in die erste Liga auf und verdrängt die Liebe und Wertachtung.
Konservative Christen zitieren bei ihren Argumenten gegen eine Gleichstellung oft die Bibel, vor allem Stellen aus den Paulusbriefen. Was sagt Ihnen die Schrift in diesem Punkt?
Heinrich: Wir werden hier jetzt keine hermeneutische Debatte führen können. Fakt ist, dass Jesus gar nichts zum Thema Homosexualität gesagt hat und Paulus nicht viel. Paulus spricht von Sünde. Aber: Das Thema Homosexualität hat für die neutestamentliche Ethik keine besonders herausgehobene Bedeutung, da stehen andere Themen viel mehr im Mittelpunkt wie der Umgang mit Reichtum oder Macht. Ich bin also skeptisch bei der Frage, ob das Alte und Neue Testament ausreichen, um jemanden zu verurteilen. Gerade wir Christen sollten hier nicht mit unterschiedlichen Maß messen und die Bibel im Zusammenhang und historischen Kontext ernst nehmen. Andere Bibelstellen nehmen wir heute nicht mehr zum Maßstab des Handelns: Alle Christen sind begeistert, dass wir uns um die Abschaffung von Zwangsprostitution und Sklaverei kümmern. Das war früher christlich gerechtfertigt - mit mehr Bibelstellen als denen, die gegen Homosexualität sprechen.
Im Papier der "Wilden 13" haben CDU-Abgeordnete der Bundesregierung vorgeworfen, sich bei Fragen der Gleichstellung homosexueller Partnerschaften vom Bundesverfassungsgericht treiben zu lassen anstatt selbst zu gestalten. Nun steht im Parlament bald eine Entscheidung zu den sogenannten Sukzessivadoptionen - der Adoption von vom Partner angenommener Kinder - an. Sollte dieses Gesetz in Ihren Augen weitergehen?
Heinrich: Die steuerrechtliche Gleichstellung lag auf der Hand, was bis dahin im Gesetz stand war nicht stringent. Bei Adoptionen dagegen sind noch Fragen offen. Ich würde eine Forderung nach einer kompletten Gleichstellung im Adoptionsrecht jedenfalls nicht leichtfertig unterschreiben. Für mich ist es eine Frage der Grundwerte. Das Regelkonzept in unserem Grundgesetz ist eine Familie, in der es Vater und Mutter gibt. Ich wünsche einem Kind einen männlichen und einen weiblichen Part im Leben. Wir müssen aber auch abwarten, zu welchen Ergebnissen Untersuchungen zum Kindeswohl in homosexuellen Partnerschaften kommen, hier kursieren viele ungesicherte Behauptungen.
"Der aggressive missionarische Eifer sollte in der Debatte beiseite gelegen werden"
Wie empfinden Sie die Diskussion um den Bildungsplan in Baden-Württemberg?
Heinrich: Ich finde schwierig, wie manche Christen sich positionieren, schwieriger, was im Bildungsplan steht und am schwierigsten, wie die Medien damit umgehen.
Fangen wir mit dem Bildungsplan an: Was ist schwierig?
Heinrich: Eine zu starke Priorisierung des Themas "sexuelle Vielfalt" finde ich nicht angemessen. Toleranz in diesem Bereich ist wichtig, aber wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass Vorurteile in anderen Bereichen viel häufiger vorkommen und schwerer wiegen: bei Asylbewerbern sowie Sinti und Roma zum Beispiel. An den Medien ärgert mich, dass sie den demokratischen Prozess nicht positiv wahrnehmen. Beim Bahnhof Stuttgart 21 hat man begeistert berichtet, wieviele sich Menschen zu Wort melden, die 200.000 Stimmen der Petition gegen den Bildungsplan werden pauschal als "homophob" abgestempelt. Das ist billige Polemik.
Und die Christen - haben die sich in ihren Augen nicht fair verhalten?
Heinrich: Nicht nur die Christen, aber man soll ja vor der eigenen Haustüre kehren. Einige Christen zeigten ein Defizit an Respekt und Interesse. Der erste Entwurf der Petition war vorurteilsbelastet und verletzend, das wurde zum Glück geändert. Zum Beispiel die Unterstellung, dass Selbstmorde und psychische Krankheiten bei Homosexuellen häufiger vorkämen. Die Frage ist doch: Was ist die Ursache? Ist dies ausgelöst durch die sexuelle Präferenz oder ausgelöst durch die öffentliche Reaktion oder weil man sich nicht traut, sich zu outen? Der aggressive missionarische Eifer sollte in der Debatte beiseite gelegen werden - das gilt aber für beide Seiten.