Foto: epd/Bettina Rühl
Pater Xavier-Arnauld Fagba vor seiner Kirche in Boali, Zentralafrikanische Republik. Erst gab er Christen Zuflucht, dann Muslimen.
Riskante Nächstenliebe
Xavier-Arnauld Fagba setzt sein Leben aufs Spiel: Er ist katholischer Pfarrer in der Zentralafrikanischen Republik und gibt in seiner Kirche Muslimen Zuflucht.
04.03.2014
epd
Bettina Rühl

Decken, Koffer, Bündel und Beutel stapeln sich in der katholischen Kirche von Boali. Sie gehören den 700 Muslimen, die Pater Xavier-Arnauld Fagba hierher gebracht hat. Seit Mitte Januar campieren sie in dem Gotteshaus, weil sie außerhalb dieser Mauern von Christen verfolgt würden.

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In Boali herrscht seit Monaten Krieg, ebenso wie im Rest der Zentralafrikanischen Republik. Christen und Muslime gehen aufeinander los, Menschen werden auf offener Straße erschlagen, mit Macheten zu Tode gehackt, erschossen, gelyncht. Pater Fagba hat mit seinem Einsatz vielen Menschen das Leben gerettet. Doch er spielt es herunter. "Was ich hier mache, ist ja nicht mehr als eine Geste angesichts dessen, was nötig wäre", sagt er. "Jeder, der an meiner Stelle stünde, müsste dasselbe tun."

Die Krise begann im März 2013 mit dem Putsch der überwiegend muslimischen Rebellenkoalition "Séléka" ("Allianz"). Die Muslime, eigentlich eine Minderheit von nur zehn Prozent der Bevölkerung, fühlten sich nun endlich in einer mächtigen Position. "Sie begannen, Verbrechen an den Nicht-Muslimen zu verüben", berichtet der Pater. "Und die Zivilisten schlossen sich ihnen an." Sie mordeten grausam, setzten Menschen in Brand, plünderten und raubten. Der Pater gewährte mehreren hundert Christen Zuflucht in der Kirche. Die Vertriebenen und viele andere Bewohner von Boali "warteten nur auf die Gelegenheit, sich zu rächen", sagt er. 

"Wir beschlossen, dass wir etwas tun müssen"

Anfang Dezember wendete sich das Blatt. Soldaten der französischen Militärmission "Sangaris" fingen an, gegen die Séléka-Rebellen zu kämpfen. Mitte Januar rollten die französischen Panzer in Boali, 80 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Bangui, ein. Die muslimischen Rebellen verschwanden samt ihren Waffen im Busch.

Soldaten der afrikanischen Eingreiftruppe MISCA bewachen den Eingang der katholischen Kirche in Boali.

Minuten später übernahmen die Kämpfer einer christlichen Miliz namens "Anti-Balaka" ("Gegen die Macheten") die Kontrolle über die Straßen in der Stadt. Für die Christen war die Stunde der Rache gekommen, sie verfolgen die Muslime seitdem ebenso grausam, wie sie verfolgt worden waren.

"Während alle anderen den Verbrechen nur zuguckten, beschlossen der Diakon und ich, dass wir etwas tun müssen", sagt Pater Fagba. Sie nahmen verängstige Muslime von der Straße mit in die Kirche und gingen von Haustür zu Haustür, um weitere Bedrohte zu finden.

So kommt es, dass seit Mitte Januar 700 Muslime in der Kirche campieren. Auch einige Christen sind dabei. Denn diejenigen, die den Vertriebenen mit Wasser und Nahrung zu helfen versuchen oder muslimische Familien verstecken, werden von den angeblich pro-christlichen Milizionären ebenfalls verfolgt.

Auch der Pfarrer wird bedroht

Auch Pfarrer Fagba wird regelmäßig bedroht. Einmal entkam er nur knapp. An einem Sonntag direkt nach der Messe machte er sich auf, ein krankes Gemeindemitglied zu besuchen. Kaum hatte er das Kirchengelände verlassen und die Straße erreicht, war sein Auto von Anti-Balaka-Milizionären umringt. "Sie schrien, sie wollten mich fertigmachen." Er hielt an, stieg aus und fragte sie, was sie von ihm wollten. "Ich sagte, dass sie von mir aus mit mir machen könnten, was ihnen in den Sinn käme. Ich hätte auch vor dem Tod keine Angst." In dem Moment kam zufällig einer ihrer Chefs vorbei und trieb die Gruppe auseinander. "Er hat mir das Leben gerettet."

Weil er überlebte, kann er nun weiter helfen. Die Vertriebenen sind dem Pater dankbar. Aber selbst auf dem Gelände der Kirche fühlen sie sich nicht sicher. Es seien schon ein oder zweimal Milizionäre da gewesen und hätten zwei von ihnen verletzt, erzählen die Muslime. Dabei stehen Soldaten der afrikanischen Eingreiftruppe MISCA an der Zufahrtsstraße, sollen die Vertriebenen bewachen. Die Verfolgten vertrauen niemandem mehr, außer vielleicht dem Pater und seinem Diakon. Aber so sehr sie deren Gastfreundschaft schätzen - die Muslime denken nur noch an Flucht, wollen das Land so schnell wie möglich verlassen.