Ihr "Kloster" ist eine Dreier-WG in einem evangelischen Gemeindehaus, zum gemeinsamen Gebet treffen sie sich im Wohnzimmer. Anstelle der schwarzen Kapuzenkutte tragen die drei katholischen Ordensbrüder meistens gewöhnliche Alltagskleidung. Mit der Rückkehr von Augustinern in die Thüringer Landeshauptstadt sei die bundesweite Ordensprovinz einem lange gehegten Wunsch des katholischen Altbischofs Joachim Wanke gefolgt, berichtet Pater Jeremias.
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Nachdem Niederlassungen geschlossen worden sind, wolle der Orden mit insgesamt knapp 70 Mitgliedern in ganz Deutschland nunmehr "etwas Neues probieren". Erfurt mit dem Augustinerkloster, in dem Luther zwischen 1505 und 1511 wesentliche Impulse für sein späteres Wirken erhielt, sei dafür ein besonderer Ort.
Zu ihren Aufgaben in der Stadt gehöre das Gespräch über Glaubensfragen ebenso wie Bildung - etwa am katholischen Edith-Stein-Gymnasium, sagt Pater Jakob. Zu den Exerzitien, die am Aschermittwoch beginnen, laden die Patres in Luthers einstiges Kloster ein, das seit 1525 evangelisch ist und sich in den vergangenen Jahrzehnten zur international anerkannten Begegnungsstätte profiliert hat.
Gebete als Lebenshilfe im Alltag
Ausgangspunkt für die geistlichen Übungen unter dem Motto "Wie man beten soll" sei das Vaterunser als christliches Hauptgebet, sagt Pater Jakob. Die wöchentlichen Treffen vor Ostern sollen Anregungen vermitteln, wie das Gebet als Lebenshilfe in alltäglichen Situationen neu entdeckt werden kann. Nach ersten Vorgesprächen rechnet er mit etwa 20 Teilnehmern - angesichts der Minderheitssituation von Christen in Erfurt "eine gute Resonanz".
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Die Tätigkeit der Ordensbrüder ist mit dem katholischen Bistum abgestimmt und zielt in eine Öffentlichkeit, in der viele mit Kirche "nichts am Hut" haben. Pater Jakob beschreibt dieses Anliegen als Seelsorge für die "normalen", nicht getauften Erfurter "und für die suchenden, religiösen Menschen". Pater Jeremias stellt sich die Frage, ob er fähig ist, die Sprache der Menschen "ohne kirchlich geprägten Glauben" zu lernen.
Die Situation einer eher kirchenfernen Umgebung sei allerdings nicht nur ein ostdeutsches Phänomen: "Das erinnert mich stark an die norddeutsche Diaspora", stellt Pater Jakob fest und berichtet von persönlichen Erfahrungen in der Lüneburger Heide. Und Pater Jeremias ergänzt, selbst in der katholischen Oberpfalz in Bayern sei Kirchenzugehörigkeit "längst nicht mehr selbstverständlich". Umso spannender empfindet die kleine Gemeinschaft ihr neues Wirkungsfeld in Erfurt.
Exerzitien gemeinsam mit evangelischer Pastorin
Mit ihrem Neuanfang sehen sich die drei Augustiner in der langen Tradition ihres Ordens, der sich seit jeher besonders seelsorgerlichen Aufgaben und der Bildung verpflichtet fühlt. Das einstige Erfurter Kloster der Augustiner ist dabei für sie ein wichtiger Ort der Kontaktpflege. Gespräche ergeben sich bei den regelmäßigen Abendgebeten in der Klosterkirche, aber auch bei ökumenischen Veranstaltungen oder Vorträgen.
Die Exerzitien in der Fastenzeit bieten die Augustiner gemeinsam mit der evangelischen Pastorin Irene Mildenberger an. "Begegnungen am historischen Ort unseres Ordens haben für uns stets eine ganz besonderen Atmosphäre", resümiert Pater Jeremias und betont das Einzigartige daran: "Sie ist immer verbunden mit Martin Luther, der einer von uns war."