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Kirchen: Trennung von Markt und Moral ist falsch
Die Wirtschaft muss den Menschen dienen. Das verlangen die Kirchen in einem Papier zur Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die konkreten Forderungen reichen von Haftungsregeln für Manager über mehr Umweltschutz bis zum Kampf gegen Steuerbetrug.

In einem gemeinsamen Thesenpapier mahnen die beiden großen Kirchen zu grundlegenden Konsequenzen aus der Finanzmarktkrise und der Globalisierung. Wirtschaftswachstum müsse den Menschen dienen, fordern die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Deutsche Bischofskonferenz in ihrer sogenannten Sozialinitiative, die am Freitag in Frankfurt am Main vorgestellt wurde. Darin heißt es: "Wo Ökonomie und Menschlichkeit in Widerspruch zueinander geraten, stimmt etwas an der ökonomischen Ordnung nicht mehr."

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"Noch immer sind Einkommen und Vermögen sehr ungleich verteilt", sagte der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der maßgeblich an dem Papier mitgearbeitet hat: "Noch immer verbrauchen wir mit unserer Wirtschaftsweise weit mehr Ressourcen, als es für die Erde verträglich ist. Die Verwirklichung einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft in Deutschland und hoffentlich auch auf globaler Ebene ist deswegen die große sozialethische Herausforderung der Zukunft."

Als Lehren aus der Finanzmarktkrise sprechen sich die Kirchen dafür aus, die ethischen Maßstäbe der Wirtschaft und die Verantwortungskultur zu erneuern. Mehrfach wird in dem Text betont, dass Geld und Kapital eine dienende Funktion hätten. Die Marktwirtschaft benötige einen Rahmen, damit wirtschaftliches Handeln des Einzelnen und der Unternehmen dem Gemeinwohl dienten.

Vor 17 Jahren: "Option für die Armen"

Nicht die kurzfristige Steigerung der Aktienkurse, sondern der nachhaltige Unternehmenserfolg müsse Maßstab für die Bewertung von Unternehmen und die Entlohnung der Manager sein. Das Haftungsprinzip müsse auch für Investoren, Manager und Unternehmer gelten "Boni ohne Mali darf es nicht mehr geben", heißt es in dem Kirchenwort.

Mit dem Papier "Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft" knüpfen die evangelische und katholische Kirche an das Sozialwort von 1997 an. In dem damaligen Dokument mit dem Titel "Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit" erteilten sie neoliberalen Tendenzen eine Absage und betonten die vorrangige Option für die Armen. Schwerpunkte waren damals die Massenarbeitslosigkeit, die Krise des Sozialstaates und die ökologischen Probleme. Daran anknüpfend treten die beiden Kirchen nunmehr für eine stärkere Gemeinwohlorientierung, einen ökologischen Umbau und einen fairen sozialen Ausgleich bei der Erneuerung der Marktwirtschaft ein.

"Wir brauchen Konsequenzen und nicht nur Debatten", sagte der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider. Die Wirtschaft müsse im Dienst des Lebens stehen und dürfe nicht Leben zerstören. "Mit der Ökumenischen Sozialinitiative werfen wir einen Stein ins Wasser, gespannt darauf, welche Kreise dieser ziehen wird", äußerte Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der Bischofskonferenz.

"Steuerpflicht ist eine moralische Bürgerpflicht"

Zur Konsolidierung der Staatsfinanzen wird in dem Sozialwort empfohlen, Steuerbetrug und -hinterziehung effektiver zu bekämpfen. Dazu beitragen können aus Sicht der Kirchen ein automatischer Informationsaustausch steuerrelevanter Daten, die Bekämpfung von "Verdunkelungsoasen", sowie eine Unternehmensbesteuerung, die Gewinnverschiebung verhindert. Die steuerliche Belastung von transnationalen Unternehmen müsse in ein gerechteres Verhältnis zu Belastungen von kleineren und mittleren Unternehmen sowie Arbeitnehmern gebracht werden.

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"Steuerpflicht ist nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine moralische Bürgerpflicht." Wer sich dieser Pflicht entziehe, mache sich an den Mitbürgern und am Gemeinwohl schuldig, mahnen die Kirchen. Eine gerechte Steuerpolitik löse zwar nicht alle haushaltspolitischen Probleme, könnte aber zu einer größeren Akzeptanz für Sparmaßnahmen beitragen.

Mit Blick auf die Staastverschuldung warnen die Kirchen vor sozialen Verwerfungen in manchen EU-Krisenländern durch radikale Ausgabenkürzungen. Die europäische Krise dürfe nicht auf dem Rücken von Millionen Menschen gelöst werden, die sie nicht verursacht hätten.

Handlungsbedarf sehen die Kirchen bei den sozialen Sicherungssystemen durch den demografischen Wandel. Damit verbundene soziale Belastungen müssten gerecht verteilt werden. Bei Anpassungen des Rentensystems sollte über mehr Flexibilität des Renteneintrittsalters sowie altersgerechte Aktivität ohne starre Altersgrenzen nachgedacht werden. Begrüßt wird von den Kirchen, dass Kindererziehungszeiten nach den Koalitionsplänen bei der Rente angemessen berücksichtigt werden sollen.

In Bezug auf den Arbeitsmarkt wird gefordert, dass sich prekäre Beschäftigungsverhältnisse nicht verfestigen, geringfügige Beschäftigung und Werkverträge nicht missbraucht werden, um den Arbeitskräftebedarf kostengünstig zu decken. Unterstützt wird in diesem Zusammenhang auch ein gesetzlicher Mindestlohn zur Sicherung des Lebensunterhaltes, wie ihn die große Koalition von CDU/CSU und SPD verabredet hat.

Lob und Kritik am Sozialwort

Der Frankfurter Sozialethiker Bernhard Emunds, Mitverfasser des Sozialworts der Kirchen von 1997, kritisierte das Nachfolgepapier bereits vor der Veröffentlichung als mutlos. "Das gepflegte Sowohl-als-auch, das sich als Tenor abzeichnet, wird keine Diskussionen anregen, sondern sie einschläfern", sagte der katholische Theologe dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Freitagsausgabe).

Enttäuscht reagierten die SPD-Politiker Wolfgang Thierse und Kerstin Griese (beide SPD) auf das Sozialwort. Sie hätten sich "klarere Worte und zukunftsweisendere Überlegungen gewünscht", sagten Thierse und Griese. Lob kam dagegen vom Bundesvorsitzenden der CDU-Arbeitnehmerschaft, Karl-Josef Laumann. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Kerstin Andreae, sagte, die Sozialinitiative sei eine Aufforderung an die Bundesregierung, ihre zukunftsvergessene Politik neu auszurichten. Die soziale Schere zwischen Arm und Reich gehe immer weiter auseinander, sagte die Oppositionspolitikerin.

Diakonie und Caritas begrüßten das Sozialwort. Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken nannte das ökumenische Papier einen wichtigen Diskussionsbeitrag, der ethische Maßstäbe für Wirtschaft und Gesellschaft aufzeige. Mut und Weitblick vermissen hingegen die evangelischen Unternehmer. Kritik am Fehlverhalten einzelner Wirtschaftsakteure reiche nicht aus, sagte der Vorsitzende des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer, Peter Barrenstein. Vielmehr müsse die Frage beantwortet werden, wo die Belastungsgrenzen für die künftige Gesellschaft lägen.

Der Bund Katholischer Unternehmer begrüßte das Bekenntnis der Kirchen zur sozialen Marktwirtschaft. "Es ist von entscheidender Bedeutung, dass sich die Kirchen in Zeiten, in denen unser Wirtschaftssystem immer wieder infrage gestellt wird, eindeutig dazu bekennen", sagte die Vorsitzende der Verbandes, die CDU-Bundestagsabgeordnete Marie-Luise Dött.