Hintergrund: Das Sozialwort von 1997
Mit der Sozialinitiative knüpfen evangelische und katholische Kirche an ihr Sozialwort von 1997 an. Was vor 17 Jahren zu Papier gebracht wurde, fand im politischen Raum große Resonanz.
28.02.2014
epd
Rainer Clos

Zwischen dem ökumenischen Sozialwort und der Sozialinitiative der Kirchen im Jahr 2014 liegen auf den Tag genau 17 Jahre: Am 28. Februar 1997 veröffentlichten die beiden großen Kirchen die viel beachtete Schrift "Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit", in dem sie neoliberalen Tendenzen eine Absage erteilten. Weit über die kirchlichen Mauern hinaus wurde es wahrgenommen, als sich evangelische und katholische Kirche gemeinsam zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland äußerten. Schwerpunkte waren die Massenarbeitslosigkeit, die Krise des Sozialstaates und die ökologischen Probleme.

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Ein weiteres "Sachverständigengutachten" wollten sie nicht liefern, stellten die Kirchen klar. Vielmehr war es Anliegen des Sozialwortes, "für eine Wertorientierung einzutreten, die dem Wohlergehen aller dient" und "dem Anliegen jener Gehör zu verschaffen, die im wirtschaftlichen und politischen Kalkül leicht vergessen werden, weil sie sich selbst nicht wirksam artikulieren können: der Armen, Benachteiligten und Machtlosen, auch der kommenden Generationen und der stummen Kreatur".

Das Wort der Kirchen wurde "totgelobt"

Mit dem gemeinsamen Wort hätten die Kirchen verdeutlicht, dass auch eine leistungsfähige Wirtschaft von Voraussetzungen lebe, die sie selbst nicht schaffen könne, erläuterte Hermann Barth, der langjährige "Cheftheologe" der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): "Auch die soziale Marktwirtschaft braucht Tugenden." Neben dem katholischen Bischof Josef Homeyer und dem damals noch wenig bekannten katholischen Sozialethiker Reinhard Marx, heute Kardinal und Erzbischof von München, war Barth maßgeblich an der Entstehung des Papiers beteiligt.

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Anders als bei der ökumenischen Sozialinitiative mit dem Titel "Gemeinsame Verantwortung für eine gerechte Gesellschaft", die von beiden Kirchen am Freitag präsentiert wurde, ging dem Sozialwort ein breit angelegter mehrjähriger Konsultationsprozess voraus. Mit Diskussionsbeiträgen und Stellungnahmen beteiligten sich nicht nur kirchliche Gremien und Gruppierungen, sondern auch Parteien, Sozialverbände und Wissenschaftler. Allein die Diskussionsgrundlage für den Konsultationsprozess wurde in einer Auflage von 400.000 Exemplaren verbreitet. Das Katholische-Soziale Institut der Erzdiözese Köln und das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD registrierten 2.500 Stellungnahmen mit einem Umfang von mehr als 25.000 Seiten.

Dem Sozialwort zollten Gewerkschaften und Unternehmer, Grüne, Neoliberale und Sozialdemokraten Beifall. Gerade dieser Erfolg hat womöglich dazu beigetragen, dass das Wort der Kirchen "totgelobt" wurde, wie der damalige Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann, schon 1997 fürchtete. Gleichwohl gab es Beobachter, die meinten, das Sozialwort habe den Weg für die rot-grüne Koalition im Bund 1998 geebnet.

Ausgangspunkt für eine breite Debatte

An die unverminderte Aktualität des Sozialwortes erinnerte ein Jahrzehnt später der damalige rheinische Präses Nikolaus Schneider. Die kirchlichen Appelle zum Ausgleich zwischen Arm und Reich sowie zum Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen und sozialen Notwendigkeiten seien unverändert dringend: "Ich glaube, dieses Papier war der Versuch, gegen die ersten Vorboten der Globalisierung Standards zu setzen und Standards zu verteidigen", sagte Schneider. "Das Setzen von Standards ist gelungen, das Verteidigen von Standards nicht", resümierte der heutige EKD-Ratsvorsitzende im Jahr 2007.

Spätestens seit der Finanzmarktkrise wurde der Ruf nach einem neuen ökumenischen Sozialwort drängender. Auf dem Ökumenischen Kirchentag in München 2010 stellten der Ratsvorsitzende Schneider für die EKD und Erzbischof Robert Zollitsch für die Bischofskonferenz ein derartige Initiative in Aussicht. Seither hatten sich eine evangelisch-katholische Arbeitsgruppe sowie die Leitungsgremien mit der Sozialinitiative befasst. Verabredet wurde, dass das Papier nach der Bundestagswahl 2013 veröffentlicht werden soll und den Ausgangspunkt für eine breite Debatte bilden möge.