Herr Berben, können Sie sich noch erinnern, wann Sie Ihre erste Wagner-Oper besucht haben?
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Oliver Berben: Ja, das war kurz vor Beginn meines Studiums – und die letzte habe ich vor eineinhalb Jahren in Bayreuth gehört, das war der "Parsifal" mit sechseinhalb Stunden. Ich fand es schwer beeindruckend. Ich bin aber weit entfernt davon, ein Fachmann für Wagner zu sein, sondern bin ein normaler Klassik-Konsument.
Wie kamen Sie auf die Idee, die Geschichte des Wagnerclans als Familiensaga zu erzählen? Und das Ganze auch noch ein Jahr nach den Feierlichkeiten zu Wagners 200. Geburtstag?
Berben: Die Grundidee hatte der Produzent und Journalist Gero von Boehm. Er fragte mich, ob ich einen Film über Richard Wagner machen will. Aber ehrlich gesagt ist mir erst mal gar nichts zu dem Thema eingefallen. Der Wandel kam, als ich das Buch "Der Wagner-Clan" des britischen Journalisten Jonathan Carr gelesen habe. Da sagte ich mir, lass uns mal etwas anderes als die normalen Beiträge machen und ein ungewöhnliches Biopic entwickeln, das mit Wagners Tod beginnt und den Wahnsinn erzählt, der in der Familie herrschte.
Auf diese Art holen Sie wahrscheinlich ein breiteres Publikum ab, als wenn ganz klassisch Richard Wagner und seine Musik in den Mittelpunkt stehen würde.
Berben: Ja, richtig. Der Stoff ist sehr saftig. Wenn man sich das frei als Filmstoff ausdenken würde, würde jeder sagen: "Ach komm, das ist doch jetzt nicht euer Ernst!"
"Wir müssen uns mit unserer Geschichte und Kultur auseinandersetzen – Wagner gehört dazu"
Wer hatte die Idee, dass Ihre Mutter Iris Berben die Rolle der Cosima Wagner spielen soll? Die Witwe des großen Komponisten ist ja als Filmfigur alles andere als eine Sympathieträgerin.
Berben: Die hatte ich relativ früh – also zumindest hatte ich die Idee, es ihr anzubieten. Ich war mir nicht ganz sicher, ob sie das spielen würde, weil Cosima ja nicht unbedingt eine der positivsten Figuren ist. Aber ich wusste natürlich insgeheim, dass meiner Mutter als Schauspielerin genau so etwas gefallen würde.
Hat sie denn ein erstes Zugriffsrecht auf alle Rollen, die ihr in Ihren Produktionen gefallen?
Berben: Nein, sie bekommt Rollen genauso angeboten wie andere Schauspieler auch, das überlegen wir uns schon sehr gut.
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Sie und Ihre Mutter machen sich seit Jahren vehement für Israel und gegen Antisemitismus stark. Hatten Sie je Bedenken, einen Film über den Antisemiten Richard Wagner und seine Erben zu machen?
Berben: Nein. Ich bin Deutscher, ich bin hier groß geworden, und wir müssen uns mit unserer Geschichte und unserer Kultur auseinandersetzen – Wagner gehört dazu.
Wussten Sie von Anfang an, wie Sie das Thema Antisemitismus und Nationalsozialismus aufgreifen wollen?
Berben: Für uns stand von vornherein fest, dass es ein zentrales Thema sein muss, das wir offensiv erzählen wollen. Speziell über die Figuren Cosima und ihren Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain wird im Film der gelebte Antisemitismus gezeigt, der schon vor den Nazis gesellschaftsfähig war. Und es war mir sehr wichtig, zu zeigen, dass sich der aufkeimende Nationalsozialismus bei diesem Antisemitismus bediente, den es vorher schon gab.
Hatten Sie keine Bedenken, dass eine süffige Familiensaga diesem komplexen Themenfeld nicht gerecht werden könnte?
Berben: Doch, ehrlich gesagt hatte ich diese Angst. Es war eine große Herausforderung, und ich war anfangs lange ungewiss, ob es uns überhaupt gelingen würde, den Film zu machen. Aber als ich die erste Drehbuchfassung von Kai Hafemeister las, habe ich sofort gemerkt, dass es gelingen würde. Ihm gebührt alle Ehre, dass aus dem Projekt was geworden ist.
"Teile der Familie reden einfach mit niemandem, andere äußern sich sehr gerne"
Entspricht in dem Film eigentlich alles den historischen Tatsachen oder nimmt sich das Drehbuch viele Freiheiten?
Berben: Es ist ein fiktionaler Film, der auf wahren Begebenheiten beruht. Was historisch wichtig ist, das ist in dem Film auch richtig dargestellt. Aber ganz oft kommen Gespräche und Dialoge vor, die nicht verbrieft sind, denn kein Historiker weiß, was hinter verschlossenen Türen gesprochen wurde. Bei den Kostümen beispielsweise fand ich die exakte historische Darstellung nicht so wichtig, die sind in den Farben, im Schnitt viel moderner, als sie damals waren. Es soll ja zu unserem modern erzählten Film passen.
Durften Sie in Bayreuth drehen?
Berben: Wir hätten gedurft, aber der Film ist trotzdem nicht dort gedreht worden. Das Festspielhaus war für Renovierungsarbeiten eingerüstet, deshalb mussten wir es digital herstellen.
Hat die Familie Wagner mit Ihnen kooperiert?
Berben: Mein Mitproduzent Gero von Boehm hat eine Dokumentation gedreht, die im Anschluss an den Film läuft, und da melden sich zwei Mitglieder zu Wort. Man muss ja wissen: Teile der Familie reden einfach mit niemandem, weder mit uns noch mit Journalisten, andere äußern sich sehr gerne. So wie die Familie damals war, ist sie auch heute noch: Es gibt eine sehr starke Unterschiedlichkeit.
Glauben Sie, dass Sie nach Ihrem Wagner-Film auch nächsten Sommer noch Karten für Bayreuth bekommen?
Berben: Das hoffe ich schon, dass ich noch mal hindarf (lacht). In unserem Film wird zwar nichts und niemand auf ein Podest gehoben, aber es wird ja auch keiner verunglimpft.
Übertrieben viel Wagner-Musik kommt im Film ja nicht vor...
Berben: Das war eine bewusste Entscheidung. Ich habe immer gesagt: "Ich will auf gar keinen Fall einen Musikfilm haben!" Deshalb haben wir nicht ständig einen Wagner-Klangteppich, sondern setzen die Musik sehr dezidiert ein – manchmal auch ironisch.