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"Wir wollen eine Willkommenskultur schaffen"
Immer mehr Menschen in Deutschland unterstützen Flüchtlinge, die in ihren Städten und Dörfern Schutz suchen. Sie unterrichten Deutsch oder lassen die neuen Mitbürger einfach Teil haben am Alltag eines für sie noch fremden Landes.
24.02.2014
epd
Karen Miether

Petra El Tawil ist begeistert. Gerade hat Tomas Kashay auf ihrem Smartphone ein Programm installiert, das Buchstaben in der Schrift und Sprache seiner Heimat Eritrea anzeigt - in Tigrinya. "Jetzt kann ich das lernen", freut sich die Verkäuferin aus Winsen an der Luhe. Kashay lebt mit neun afrikanischen Landsleuten in einer Flüchtlingsunterkunft in der niedersächsischen Kreisstadt bei Hamburg. Sie alle besuchen regelmäßig das "Internationale Café", in das Petra El Tawil und rund 40 weitere Ehrenamtliche immer samstags einladen.

Im Oktober hat die evangelische Kirche in Winsen ihr Gemeindehaus erstmals für die Treffen geöffnet, um Flüchtlinge und Einheimische in Kontakt zu bringen. Inzwischen kommen regelmäßig bis zu 60 zumeist junge Männer aus Afghanistan, von der Elfenbeinküste, aus dem Sudan, Somalia und Eritrea. "Wir wollen eine Willkommenskultur schaffen für Menschen, denen hier alles unheimlich fremd ist", sagt Wolfgang Kresse vom Café-Team. Wie in Winsen gründen sich seit einiger Zeit vermehrt lokale Gruppen zur Unterstützung von Flüchtlingen.

Zunehmend gründen sich lokale Initiativen zur Unterstützung von Flüchtlingen

Abseits von schlagzeilenträchtigen Fällen wie den Flüchtlingen in der Hamburger St.-Pauli-Gemeinde werde dieses Engagement öffentlich noch wenig wahrgenommen, sagt Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat.

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Von Protesten vor Flüchtlingsheimen sei häufiger zu lesen. Dabei erreichten ihn immer mehr Nachfragen von Initiativen, die Flüchtlinge unterstützen wollen: "Das Spektrum reicht von Kirchengemeinden bis zu Bürgerbewegungen. Es ist bunt und vielfältig."

In Osnabrück hat die Stadt zum Jahresbeginn ein Konzept beschlossen, damit sich die wachsende Zahl von Zuwanderern besser zurechtfindet. In Lüneburg gründeten engagierte Bürger eine "Willkommensinitiative". In Winsen machte die Kirche den ersten Schritt. Sie wollte damit auch Ängsten zuvorkommen. "Das Internationale Café und die positiven Berichte darüber in der Lokalpresse haben das Klima in der Stadt zum Guten beeinflusst", ist der evangelische Superintendent Christian Berndt überzeugt.

Inzwischen ist ein Netzwerk gewachsen. Stadt, Landkreis, Kirche, Hilfsorganisationen, aber auch Sportvereine kämen zusammen, erläutert Gemeindepastor Markus Kalmbach. Gemeinsam mit dem Landkreis und dem örtlichen Herbergsverein plant die Kirche zudem ein Projekt, bei dem mehrere Hundert Flüchtlinge eine Beschäftigung finden sollen. Denn das hören die Café-Mitarbeiter am häufigsten: "Wir wollen arbeiten, lernen, zur Schule."

Kirche unterstützt Ehrenamtliche

Die Synode der hannoverschen Landeskirche hat eine Resolution beschlossen, die Kirchengemeinden dazu auffordert, sich für Flüchtlinge einzusetzen und sie im Alltag zu unterstützen. Im Juni planen die Kirchen in Niedersachsen ein Treffen von Initiativen, um sich einen Überblick zu verschaffen und sich auszutauschen.

Superintendent Berndt und Pastor Kalmbach sehen ihre eigene Rolle vor allem in der Unterstützung der Ehrenamtlichen auch in schweren Situationen wie bei einer Abschiebung. Darauf, dass Abschiede schwer werden könnten, stellt sich auch Petra El Tawil ein. Sie verbringt viel Zeit mit den Flüchtlingen. Manchmal einen ganzen Tag. So nimmt sie einen der jungen Männer aus Eritrea mit zu ihrem Zahnarztbesuch und in den Supermarkt. Später erklären ihre erwachsenen Kinder ihm ein neues Computerprogramm - ganz normaler Alltag in Winsen.