In der Kabine der Biathleten ist die Stimmung betrübt, die Enttäuschung groß: Gerade hat ein Sportler knapp eine Medaille verpasst. "Klar können Olympioniken in solchen Situationen mit mir reden. Die meisten ziehen sich aber erst mal zurück, reden mit Mannschaftskollegen Freunden oder Familie", erzählt Olympiapfarrer Thomas Weber.
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Falls sie ein paar Tage später doch mit ihm ins Gespräch kämen, seien viele Sportler aber froh, dass sie mit jemandem reden könnten, der nicht zum "System Hochleistungssport" gehöre. Oft blickten sie nach Niederlagen gemeinsam auf bisherige Erfolge der Sportler zurück. Das helfe Vielen, die Misserfolge schnell auszublenden und nach vorne zu schauen. "Aber bei mir sitzt keiner heulend und wartet, dass jemand sagt, 'Kopf hoch', sagt Weber.
Doch er hat viele persönliche Gespräche geführt. Eine katholische Sportlerin berichtete ihm, dass sie gerne ihren Firmunterricht nachholen möchte. Früher hatte es nie geklappt, weil sie immer unterwegs war. "Gerade solche Geschichten zeigen mir, dass die Kirche ihren Blick für Sportler und sicher auch andere Berufsgruppen öffnen muss und auf solche Menschen zugehen sollte", so Weber.
Russen wollen die Sportanlagen weiter nutzen
Politische Themen wie Menschenrechtsverletzungen oder die Verfolgung Homosexueller waren laut Weber kaum ein Thema in Sotschi. "Solche Themen treten in den Hintergrund, sobald der Sport beginnt", sagt der Olympiapfarrer.
Er hat erlebt, dass die Russen die Olympischen Spiele begeistert verfolgt haben und stolze Ausrichter waren. Die Menschen seien sehr gastfreundlich und hilfsbereit gewesen. Viele Russen haben ihm aber auch erzählt, dass sie froh sind, dass die Baustellen und andere Projekte rund um Olympia jetzt zu Ende sind und sie beginnen können, von den Sportstätten, Skianlagen und der Infrastruktur in Sotschi zu profitieren. "Die Regierung hat versprochen, dass sich die normale Bevölkerung die Eintrittspreise auch künftig wird leisten können", berichtet Weber.
Olympia verbindet alle Nationen
Der Olympiapfarrer persönlich verbindet viele bereichernde Begegnungen mit Sotschi. "Das Schönste ist, wenn ich sehe, wie Sportler sich freuen, wenn sie bei einem Sieg die Früchte ihrer Arbeit einfahren. Da liegen sich Sportler, Techniker und Funktionäre in den Armen, weil sie sich gemeinsam freuen, dass ihre Konzepte aufgegangen sind", erzählt Weber. Aber auch Sportler unterschiedlicher Nationen gratulierten sich im Zieleinlauf gegenseitig zu ihren Leistungen. Da merke er, dass Olympia eine "völkerverbindende Veranstaltung" sei. Den olympischen Gedanken erlebte Weber auch bei einem ökumenischen Gottesdienst, den er gemeinsam mit dem englischen Pastor und einer katholischen, russische Schwester aus Sotschi hielt.
"Olympia ist eine andere Welt, und die fasziniert mich immer wieder", sagt der Pastor. "Trotzdem bin ich froh, dass ich mich bald wieder auf den Heimweg zu meiner Gemeinde mache – auch da werde ich gebraucht".