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Der Himmel weint über Sotschi. Tränen der Trauer haben keinen Platz bei Olympia.
Olympia trägt keine Trauer
Olympische Athleten dürfen keinen Trauerflor tragen, so zumindest sieht es das IOC. Norwegische Athleten waren mit schwarzen Armbinden angetreten und hatten eine Rüge kassiert. Während deutsche Medien sich überwiegend verwundert zeigen, ist die Debatte bei den deutschen Sportlern in Sotschi noch gar nicht angekommen, erzählt Olympiapfarrer Thomas Weber.

"Hier in Sotschi stehen die Wettkämpfe im Vordergrund, alle stehen unter Druck. Deshalb ist die Nachricht über die Diskussion mit dem Trauerflor soviel ich weiß noch gar nicht ins deutsche Team vorgedrungen", sagt der Olympiapfarrer. Er begleitet das deutsche Team in Sotschi.

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Hintergrund der Debatte: Am Samstag waren norwegische Skiathleten mit schwarzen Armbinden an ihren Trikots angetreten. Damit wollten sie ihre Anteilnahme am Tod des Bruders von Teamkollegin Astrid Jacobsen zeigen - er starb kurz vor den Spielen in Sotschi. Das IOC rügte die Sportler mit der Begründung sie hätten gegen die Olympische Charta verstoßen. Darin heißt es: "Jede Demonstration oder politische, religiöse oder rassische Propaganda ist an den olympischen Stätten, Austragungsorten oder in anderen olympischen Bereichen untersagt." Ähnlich erging es Sportlern, die an eine ehemalige Teamkollegin erinnern wollten, die vor zwei Jahren tödlich verunglückte. Sie durften keine Sticker an ihren Helmen tragen. Doch ist Trauerflor religiöse Propaganda? Das ist für das IOC nicht der entscheidende Punkt, sondern die Wettkämpfe seien nicht "der richtige Ort", um Trauer auszudrücken, erklärte IOC-Sprecher Mark Adams.

Olympia ohne Liebeserklärungen und Regenbogenfarben

Ob Trauerflor ein religiöses Symbol ist, mag der deutsche Pfarrer Thomas Weber nicht beurteilen. Aus seinen Erfahrungen vorangegangener Spiele und den Erlebnissen in Russland weiß er aber: "Die Organisatoren achten strikt darauf, dass Vorschriften zur Wettkampfkleidung eingehalten werden."

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Alle Athleten mussten bereits im Vorfeld genaue Angaben über ihre Wettkampfkleidung wie Handschuhe, Helme und Schuhe machen. Diese werden dann geprüft und bei Beanstandungen zurückgewiesen. Beispielsweise, wenn Embleme auf Trikots oder Helmen zu groß sind. Außerdem hörte Weber, dass gerade Handschuhe eines Athleten beanstandet wurden, weil dort Regenbogenfarben zu sehen waren - ein Symbol, das Solidarität mit Homosexuellen zeigt.

Doch Weber glaubt nicht, dass die Regenbogenfarben ausschlaggebend waren, obwohl Russland im Vorfeld wegen Diskriminierung von Homosexuellen in der Kritik stand. Er ist sich sicher, dass auch christliche Symbole wie ein Kreuz nicht durchgegangen wären. "Ebensowenig wie ein Herzsticker mit 'Ich liebe Dich', am Helm eines Athleten, der damit seine Freundin grüßen möchte", sagt er.

Fürbitten für Verstorbene

Trotzdem ist der Pastor sehr erstaunt über die Reaktion des IOC. "Trauer und Tod gehören schließlich zu den Spielen dazu." Kurz vor Beginn der Winterspiele in Vancouver vor vier Jahren starb ein georgischer Rodler nach einem Unglück beim Abschlusstraining. "Da gab es kleine Altare und öffentliche Stellen in der Stadt, wo Sportler und Besucher Anteil nehmen konnten." Sie konnten Kerzen anzünden, Briefe schreiben oder Fahnen hinterlassen. Außerdem gab es ein Kondolenzbuch im Olympischen Dorf. "Der Tod und die Trauer hatten ihren Platz bei Olympia und sollten ihn auch weiter haben", sagt Weber. Gerade nach dieser Geschichte ist die aktuelle Entscheidung des IOC für ihn "schwer nachvollziehbar". Doch er kann solche Diskussionen in seinen Gottesdiensten aufgreifen. Die bietet er regelmäßiig für die Sportler und ihre Begleiter an. "Wir können am Sonntag zum Beispiel Fürbitten für Menschen lesen, die im Umfeld der Sportler gestorben sind."

Olympiapfarrer Thomas Weber mit norwegischen Sportlern in Sotschi.

Sonst ist Weber viel unterwegs, sucht den Kontakt zu Sportlern und Besuchern. Am Rande der nordischen Kombination traf er auf norwegische Olympioniken und fragte sie nach ihrer Meinung zur Trauerflor-Debatte. "Das Team ist verärgert über die Entscheidung des IOC, sie wissen aber, dass sie nichts mehr an der Entscheidung ändern können", erzählt Weber. "Die Sportler freuen sich dennoch, dass wir das Thema in unserem Gottesdienst aufgreifen."

Doch trotz mancher Verwunderung im Ausland - vor Ort ist die Stimmung gut, sagt Weber. Natürlich gibt es rund um die Wettkampfstätten viele Sicherheitsmaßnahmen, überall stehen Zäune und Stacheldraht, kein Gebäude ist ohne Sicherheitskontrollen zu betreten. Aber im Olympischen Dorf können sich die Sportler frei bewegen, die Sportstätten bieten optimale Bedingungen und auch die Zuschauer können öffentliche Verkehrsmittel und Gondeln zu den Stadien kostenfrei nutzen. "Das war nicht immer so. Viele haben wie ich den Eindruck, dass gerade deutsche Medien besonders kritisch über Russland berichten und das Haar in der Suppe suchen", sagt Weber. "Klar sind die Russen stolz, dass sie die Spiele ausrichten, die olympische Begeisterung ist eben auch spürbar."