Die "Erschaffung Adams" von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle
Foto: epd/akg-images/Mondadori Portfolio
Berühmtes Fresko von Michelangelo: die "Erschaffung Adams" in der Sixtinischen Kapelle
Genie voller Selbstzweifel: Vor 450 Jahren starb Michelangelo
Schon zu seiner Zeit galt Michelangelo vielen als bedeutendster Künstler der Renaissance. Er entwarf die Kuppel des Petersdoms, schuf monumentale Fresken in der Sixtinischen Kapelle - und lag doch immer wieder mit den Geistlichen über Kreuz.
18.02.2014
epd
Christian Feldmann

Wie ein Besessener hatte Michelangelo (1475-1564) an dem "Jüngsten Gericht" an der Altarwand der Sixtinischen Kapelle gemalt, fünf Jahre lang. 180 Quadratmeter war das Werk groß geworden. Doch als Papst Paul III. es im Oktober 1541 in Augenschein nahm, gab es einen Skandal: Der langjährige Zeremonienmeister Seiner Heiligkeit, Biagio Martinelli da Cesena, soll sich über die nackten Körper der Seligen und Verdammten empört haben: So könne man eine Taverne ausmalen, aber doch keine päpstliche Kapelle.

Michelangelo Buonarroti (1475-1564), Kupferstich nach einem Gemälde von Giuliano Bugiardini (1475–1554).

Michelangelo, so wird berichtet, war wütend und reihte den Zeremonienmeister, mit einem exakten Porträt seiner Gesichtszüge in die Schar der Figuren ein: Noch heute blickt Cesena - als Totenrichter mit Eselsohren dargestellt - auf die Touristenscharen. Bis zu Zehntausend Menschen sind es täglich, die das prachtvoll restaurierte Meisterwerk im Vatikan bestaunen wollen.

Der Maler, Bildhauer und Dichter Michelangelo di Lodovico Buonarroti-Simoni, gestorben vor 450 Jahren am 18. Februar 1564, wirkte so einzigartig, dass man ihn keiner bestimmten Stilepoche zuzuordnen wagt. Er gilt als Vollender der Hochrenaissance, Wegbereiter des Barock und als führender Kopf des Manierismus. Das bedeutete in seinem Fall: höchste Ausdruckssteigerung statt der bisher praktizierten treuen Abbildung der Realität und Auflösung der starren Formen in Bewegung und Ekstase.

Im toskanischen Städtchen Caprese bei Arezzo kam Michelangelo am 6. März 1475 als Sohn eines Ratsherren zur Welt, aufgewachsen ist er in Florenz. Kaufmann sollte er werden, durfte aber dann beim berühmten Freskomaler Domenico Ghirlandaio (1449-1494) in die Lehre gehen und auch die Bildhauerakademie besuchen, die der kunstsinnige Stadtherr Lorenzo de Medici soeben gegründet hatte.

Ein Gewimmel von Propheten und Sibyllen

Bald holten die Medici den Fünfzehnjährigen in ihren Palast, wo er Künstler, Poeten, Gelehrte kennenlernte und fleißig Marmorreliefs meißelte. Michelangelo war noch keine 25 Jahre alt, da feierte man ihn bereits als besten Bildhauer Italiens. Seine gelungensten Frühwerke: die 1499 vollendete Pietà im Petersdom zu Rom, die Trauer und ruhige Ergebenheit zugleich ausstrahlt und bei der jede Gewandfalte, jedes Fingerglied unendlich exakt gemeißelt ist - und dann die Skulptur des "David", von der Republik Florenz als Illustration der zivilen Tugenden Mut und Tapferkeit bestellt.

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1503 wurde der autoritär regierende, aber mit hohem Kunstverstand gesegnete Julius II. Papst in Rom, ein bauwütiger Mäzenatentyp. Mit ihm schlug endgültig die Stunde des Florentiner Universalgenies Michelangelo. Julius holte ihn nach Rom, betraute ihn mit titanischen Projekten, schob neue Aufträge dazwischen, brachte jeden Zeitplan mit komplizierten Änderungswünschen durcheinander, geizte mit Gunstbeweisen ebenso wenig wie mit Demütigungen - es war eine schwierige, aber fruchtbare Beziehung.

Julius beauftragte Michelangelo, die Decke seiner Hauskapelle auszumalen, der Sixtina. Hier werden noch heute die Päpste gewählt. Die Deckenmalereien zählen zu den bekanntesten Werken Michelangelos und wurden schon damals von Besuchern aus aller Welt bewundert: ein Gewimmel von Propheten und Sibyllen, die erregende Darstellung der Sintflut, das naturalistische Szenario des Sündenfalls und der Vertreibung aus dem Paradies. Vor allem aber ist an der Decke der Sixtinischen Kapelle eines der größten Motive Michelangelos zu sehen: die Erschaffung Adams.

Pinsel über dem Kopf: Maltechnik in höchster Konzentration

Die ganze spannungsgeladene Energie dieses Schöpfungsaktes konzentriert sich im weit ausgestreckten Finger Gottes, der in der Deckenmitte zu schweben scheint und den entspannt hingelagerten Adam zärtlich, aber fordernd berührt. Gar nicht erschrocken, sondern freudig und nachdenklich zugleich erwacht Adam zum Leben.

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Von diesem Moment an nannte man Michelangelo in Europa nur noch "il divino", den Göttlichen. Vier Jahre lang hatte der Meister fast allein an der Decke gearbeitet. Es war eine mörderische Aufgabe, Wochen und Monate auf dem Gerüst zu stehen, den Arm mit dem Pinsel stets über dem Kopf emporgestreckt. "A fresco" zu arbeiten, erforderte eine routinierte, rasche Maltechnik in höchster Konzentration. Die wasserlösliche Farbe musste aufgetragen werden, solange der Verputz noch nass war, weil sie so tiefer eindringen konnte und eine reinere Wirkung erzielte.

Bei allem Erfolg: Michelangelo war ein zunehmend misstrauischer, einsamer Mensch, von Selbstzweifeln und Perfektionismus geplagt. Er litt darunter, dass er bei aller Genialität von seinen Auftraggebern abhängig war, ständig ändern und umdisponieren musste und oft nicht verwirklichen durfte, was er für richtig hielt. Er brauche keine Frau, scherzte er gegenüber einem Priester, der den alternden Junggesellen bedauerte. "Nur zu viel habe ich mit einer Frau zu schaffen gehabt, das ist die Kunst, die mich stets gequält hat." Mit 88 Jahren starb Michelangelo am 18. Februar 1564 in Rom. Der Leichnam wurde nach Florenz überführt und dort in der Kirche Santa Croce beigesetzt.