Foto: Thinkstock/iStockphoto/Lu Linsheng
Bei einer vertraulichen Geburt müssen Frauen ihre Identität nicht offenlegen.
Vertrauliche Geburt: "Noch gibt es viele Fragezeichen"
Die Vorbereitungen zum Start der vertraulichen Geburt ab dem 1. Mai sind zwar angelaufen, doch viele Details bleiben zunächst offen. Eine vertrauliche Geburt erlaubt schwangeren Frauen in sozialen Notlagen, ihr Kind in einem sicherem medizinischen Umfeld zur Welt zu bringen, ohne ihre Identität preisgeben zu müssen.

Das Bundesfamilienministerium lässt zurzeit die Beratungsstandards erarbeiten. Vorher können die Bundesländer ihr Personal nicht qualifizieren. Und beim Verein Donum Vitae, der bundesweit rund 200 Konfliktberatungsstellen unterhält, wartet man auf die Vorgaben der Länder.

###mehr-artikel###

"Tatsächlich ist noch alles in der Planung", bestätigt Marlies Mertes, stellvertretende Geschäftsführerin bei Donum Vitae: "Es gibt noch ganz viele Fragezeichen. Ich könnte kein Bundesland nennen, bei dem schon alles klar ist." Bei einer ersten Pilotfortbildungsveranstaltung im Bundesfamilienministerium sei aber klar geworden, wie künftig die Beratung von Frauen aussehen wird, die vertraulich gebären wollen.

Die Rede ist von einem Zwei-Stufen-Modell. In den Beratungsstellen sollen die Frauen mit ihrem Anliegen von jeder erfahrenen Beraterin betreut werden können. Dann übernimmt eine speziell für die vertrauliche Geburt ausgebildete Kollegin. "Dieses Personal ist dank rechtlicher Schulungen vorbereitet und kennt die genauen Abläufe", betont Mertes.

Nach der Beratung legt die werdende Mutter fest, dass ihre Daten erfasst, aber in einem Umschlag versiegelt werden. Auf diesem Kuvert sollen nur ihr Pseudonym aus Vor- und Zuname, Name und Geburtsdatum des Kindes sowie Angaben zur Beratungsstelle stehen. Die Umschläge werden beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben deponiert und ruhen dort in der Regel für 16 Jahre.

Beratungsstellen werden auf den Spezialfall geschult

Wo die Beratung in den Ländern erfolgen wird, ist noch nicht abzusehen. Auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) betonen aber die zuständigen Ministerien, mit ihren Vorbereitungen im Zeitplan zu liegen. Aus Hessen etwa heißt es zur Frage der Zahl der Beratungsstellen: "Genaue Vorgaben gibt es in dem Bundesgesetz nicht. Das wird daher zur Zeit mit den Trägern der Beratungsstellen fachlich diskutiert."

###mehr-info###

Bayern ist schon einen Schritt weiter. Das Sozialministerium "wird allen 151 staatlich anerkannten und staatlich nicht anerkannten Schwangerschaftsberatungsstellen anbieten, jeweils eine Beratungskraft schulen zu lassen, so dass das Beratungsangebot flächendeckend zur Verfügung stehen wird."

Die rheinland-pfälzische Sozialministerin Irene Alt (Grüne) strebt ebenfalls landesweite Qualifizierung aller Beratungsstellen an. "Hierbei geht es insbesondere um rechtliche und Verfahrensfragen, weil die psychosoziale Kompetenz bei den Beratungsstellen bereits vorhanden ist", sagte die Ministerin dem epd.

Um eine einheitliche Beratung zu gewährleisten, hat das Bundesfamilienministerium dem Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. (ISS) in Frankfurt a.M. den Auftrag erteilt, Standards für die Beratung zur vertraulichen Geburt zu entwickeln und zu erproben. Die werden dann Grundlage der geplanten Schulungen für Teilnehmer aus allen Bundesländern sein.

Babyklappen machen nicht zu

Marlies Mertes erwartet keine große Nachfrage bei der vertraulichen Geburt: "Die Zahlen werden relativ gering sein." Schließlich blieben ja die "konkurrierenden" Babyklappen und das Angebot der anonymen Geburt weiter bestehen. Das bestätigt auch Ministerin Alt. Sie erwartet, dass "zunächst alle Angebote, auch die der anonymen Kindesabgabe und der Babyklappen, weiter genutzt werden können".

###mehr-links###

Zwischen 1999 und 2010 wurden nahezu 1.000 Kinder in eine Babyklappe gelegt oder anonym übergeben. Das ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Jugendinstituts in München. Pro Jahr sind rund 100 Mütter und Kinder betroffen. Die exakte Anzahl sei nicht zu ermitteln, weil es keine zentral erfassten Daten gebe.

Ob das neue Angebot der vertraulichen Geburt wirklich genutzt wird, hängt auch davon ab, wie die Behörden dafür werben. Aus dem Bundesfamilienministerium ist zu hören, dass noch vor dem Start eine Broschüre zur vertraulichen Geburt veröffentlicht werden soll. "Und auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wird auf ihrer Homepage Informationen anbieten", betont ein Sprecher.