Steuerbetrug kostet den deutschen Staat jährlich Milliarden Euro. Die Gründe dahinter sind meist banal: "Man will einfach mehr Geld im Portemonnaie haben. Der Mensch ist getrieben, sein verfügbares Einkommen zu steigern", sagt Christian Traxler, Professor für Ökonomie an der Hertie School of Governance in Berlin, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Hinzu käme: Man tut es, weil andere es auch tun. Manche Steuersünder finden, dass der Staat ihnen ohnehin zu viel abknöpft. Andere kritisieren die Verwendung der Steuermittel. "Meist dienen diese Argumente jedoch nur der Selbstbestätigung, um das Geld mit scheinbar reinem Gewissen hinterziehen zu können", erläutert Traxler.
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Der Berliner Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann hingegen sieht die Hauptursache von Steuerhinterziehung in der Existenz von Steueroasen: "Ohne diese wäre es für Inhaber von Geldvermögen kaum möglich, Steuern im nennenswerten Umfang zu hinterziehen", sagte er dem epd. Natürlich könne sich der Einzelne aus moralischen Gründen dagegen entscheiden: "Dazu sind aber offenbar nicht alle stark genug."
Steuerbetrug ist kein Privileg der Reichen
Wie viel Steuern tatsächlich hinterzogen werden, sei nicht genau bekannt. Schließlich geschieht Steuerhinterziehung im Geheimen. Doch Untersuchungen in den USA deuteten darauf hin, dass "etwa 15 Prozent der zu zahlenden Steuerlast wegen Steuerhinterziehung nicht gezahlt wird", sagt Traxler.
Dabei hinterziehen Reiche nicht unbedingt häufiger Steuern als Arme. "Nicht die Höhe, sondern die Art des Einkommens ist für die Hinterziehung entscheidend", betont Traxler. Jeder, der selbst seine Steuern deklarieren könne, wie beispielsweise ein Selbstständiger, habe die Möglichkeit, den Staat um das Geld zu prellen. Frauen und Verheiratete seien zudem steuerehrlicher als ledige Männer, die häufiger risikofreudiger seien.
Für Traxler ist insbesondere mit dem Aufkauf von Steuerdaten-CDs durch den Staat und der elektronischen Abgleichung von Steuerdaten durch das Finanzamt in den letzten Jahren ein hoher Verfolgungsdruck entstanden. Prominente Steuersünder müssen außerdem eine öffentlichen Bloßstellung befürchten. Da ist der mitunter jahrelang aufgebaute Ruf sehr schnell wieder ruiniert.
Selbstanzeige kann vor Strafe schützen
"Das sind alles ganz normale Bürger", weiß Caroline Boxleitner, Fachanwältin für Steuerrecht in Düsseldorf, deren Kanzlei Hunderte Mandanten in Steuerhinterziehungsverfahren betreut hat. Teilweise gehe es um ererbte Konten oder den "Notgroschen" in der Schweiz, deren Zinseinkünfte beim Finanzamt nicht angegeben wurden. Die hinterzogenen Zinseinkünfte könnten während eines Zeitraums von zehn Jahren 3.000 Euro oder auch mal eine Million Euro pro Jahr ausmachen.
Plagen den Steuersünder Gewissensbisse oder hat er schlicht Angst, wegen der Weitergabe von Steuerdaten-CDs an das Finanzamt entdeckt zu werden, kann er Selbstanzeige erstatten. Der Steuerpflichtige kann dann straffrei ausgehen. "Die Selbstanzeige muss alle Erträge beinhalten", betont die Anwältin. Neben der Rückzahlung der Steuern müssen sechs Prozent Verspätungszinsen gezahlt werden. "Wenn man das nicht kann, wird ein Strafverfahren in Gang gesetzt", sagt Boxleitner.
Nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe vom 15. Dezember 2012 liegt die Schwelle für eine Haftstrafe bereits bei 50.000 Euro an hinterzogenen Steuern. Meist kommen Steuerpflichtige mit einer Geld- oder Bewährungsstrafe davon. Doch werden Steuern in "großem Ausmaß" hinterzogen, kommt diese nach einem Urteil des BGH vom 7. Februar 2012 "in der Regel" nicht mehr in Betracht. Ab einer Summe von einer Million Euro droht Gefängnis.
Spenden ist nicht Steuern zahlen
Durch eine freiwillige Selbstanzeige sei der Einzelne moralisch nicht rehabilitiert, findet Wirtschaftsethiker Thielemann. Durch die Verjährungsfristen von Steuerdelikten müsse sowieso nur ein Teil des Geldes zurückgezahlt werden. "Das ist ein enormes Privileg gegenüber Angestellten, deren Lohnsteuern automatisch einbehalten werden."
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Thielemann hält es für richtig, dass jetzt politisch über kürzere Verjährungsfristen nachgedacht wird. "Noch wichtiger ist es aber, Steueroasen trockenzulegen - vor allem durch die Etablierung eines globalen automatischen Informationsaustausches zwischen Finanzbehörden sowie die Offenlegung der Nutznießer von Briefkastenfirmen."
Für eine moralisch integere Lösung von wirklich reuigen Steuerhinterziehern hält er es, wenn diese das vor der Verjährungsfrist hinterzogene Geld freiwillig für politische Arbeit gegen Steueroasen ausgeben. "Für die eigene Stiftung zu spenden, wie es Alice Schwarzer plant, ist etwas anderes, als Steuern zu zahlen", sagt Thielemann. Denn Spenden würden nach privatem Gutdünken und ohne demokratische Kontrolle gegeben und verwendet.
Gesellschaft erkennt Unrecht
Es sei wichtig, dass über Steuerhinterziehung nun öffentlich diskutiert werde, weil es die "Steuermoral als gesellschaftlichen Wert unterstreicht." Es sei eben ungerecht, wenn - ohnehin niedrig besteuerte - Kapitaleinkünfte im Ausland geparkt werden, damit gar keine Steuern gezahlt werden müssen.
Laut Rudolf Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs in München, hat sich die Steuermoral in den letzten 20 Jahren deutlich verändert. Er glaubt, inzwischen herrsche ein "Bewusstsein, dass es kein Kavaliersdelikt ist, sondern strafbares Unrecht".