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Unverzichtbar, aber unbezahlbar? Streit um Schulsozialarbeit
Kommunen, Länder und der Bund streiten über die Finanzierung der Schulsozialarbeit
Schüler, Lehrer, Eltern und auch Politiker stellen der Schulsozialarbeit beste Noten aus. Doch ihre Finanzierung ist zu Beginn des zweiten Halbjahres an vielen Schulen ungeklärt. Ende vergangenen Jahres sind die Zuschüsse des Bundes ausgelaufen.
16.02.2014
epd
Sabine Damaschke

Wenn Wolfgang Foltin seinen Job als Schulsozialarbeiter beschreiben soll, fällt ihm vor allem ein Begriff ein: Netzwerker. "Bei Konflikten bringe ich Lehrer, Schüler und Eltern an einen Tisch", sagt er. Seit zwölf Jahren organisiert der 48-Jährige an der Gesamtschule Nettetal bei Viersen am Niederrhein Beratungen und Hilfsangebote für Familien, aber auch für Lehrer. "Durch Zuwanderung und Inklusion ist die Schülerschaft deutlich vielfältiger geworden", sagt er. Darum könne heute keine Schule auf Sozialarbeiter verzichten.

###mehr-artikel###Doch die Realität sieht anders aus: Für rund 30.000 Schulen gibt es nur rund 7.000 Schulsozialarbeiter. Rund 3.000 von ihnen wurden erst vor drei Jahren eingestellt, im Rahmen des sogenannten "Bildungs- und Teilhabepakets" der Bundesregierung (BuT). Das aber lief Ende des vergangenen Jahres aus. Nun streiten Kommunen, Länder und Bund über die weitere Finanzierung dieser Stellen.

Während einige Bundesländer wie Berlin, Hamburg und Bayern relativ schnell klarstellten, dass sie die Schulsozialarbeiter künftig aus eigenen Mitteln bezahlen, hat sich das bevölkerungsreichste Land Nordrhein-Westfalen bisher bedeckt gehalten. Hier sind die meisten der BuT-Stellen geschaffen worden, knapp 1.500. "Wir brauchen eine dauerhafte Finanzierung der Schulsozialarbeit, die einheitlich geregelt ist und über einheitliche Qualitätsstandards verfügt", fordert Wolfgang Foltin, der Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit ist.

Finanzieller Flickenteppich

Tatsächlich sieht die Finanzierung der Schulsozialarbeiter bundesweit wie ein Flickenteppich aus. Sie werden von den Schulministerien der Länder, der Jugendhilfe der Kommunen, von Sozialverbänden oder mit Projektgeldern der Europäischen Union bezahlt. Die meisten Schulsozialarbeiter sind in Teilzeit und befristet beschäftigt. Für die Stellen aus dem Teilhabepakt springen teils die Städte, die Landkreise und die freien Träger ein.

In Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ergab eine Umfrage des Senders NDR Info, dass die Kreise und Kommunen dort etwa jede zehnte Stelle aufgeben. In Nordrhein-Westfalen haben nach Angaben des Sozialministeriums 32 Kommunen Beschlüsse gefasst, die Schulsozialarbeit in diesem Jahr ganz oder teilweise aus eigener Kraft weiterzuführen.

"Ich werde hier dringend gebraucht"

Die Stadt Wuppertal etwa finanziert die Stellen ihrer rund 50 BuT-Schulsozialarbeiter bis März, über eine Verlängerung bis Ende des Jahres wird gerade im Rat der Stadt nachgedacht. "Drei Viertel unserer Schüler haben einen Migrationshintergrund und brauchen Unterstützung, damit sie in unserem Bildungssystem erfolgreich sein können", sagt Christiane Leithaus, Sozialarbeiterin an einer Wuppertaler Grundschule. "Ich werde hier dringend gebraucht."

Die Zeit drängt - nicht nur für all die Schulsozialarbeiter, deren persönliches Schicksal an den gefährdeten Stellen hängt. In den meisten Bundesländern wird mit Hochdruck an der Inklusion, dem gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern gearbeitet. "Dafür brauchen wir an dringend Teams aus Lehrern, Sozialarbeitern, Sonderpädagogen und Integrationshelfern", sagt Norbert Grewe, Professor für pädagogische Psychologie an der Uni Hildesheim.

"Es droht völlige Überforderung"

In Finnland, Großbritannien und den Niederlanden etwa seien solche Teams längst an jeder Schule zu finden. "In jeder deutschen Klasse sitzen heute schon rund zwanzig Prozent Schüler, die Beratungsbedarf haben, weil ihnen soziale oder sprachliche Kompetenzen fehlen", sagt Grewe. "Wenn nun noch behinderte Kinder hinzukommen, droht ohne professionelle Unterstützung die völlige Überforderung der Lehrer."

Damit genau das nicht geschieht, hat Wolfgang Foltin an seiner Schule ein breites Netz an Unterstützung für die rund 70 Lehrer aufgebaut. In jeder Jahrgangsstufe gibt es eine Integrationsklasse, die jeweils fünf Kinder mit Behinderung aufnimmt. Wenn es Probleme mit den Schülern gibt oder die Eingliederung in die Klasse nicht gelingt, schaltet sich der Schulsozialarbeiter ein. Er führt Gespräche, vermittelt professionelle Beratungsangebote und Lehrerfortbildungen. "Ohne Schulsozialarbeit ist die Inklusion nicht zu stemmen", sagt Foltin selbstbewusst. "Ich verstehe nicht, warum die Politik diesen Zusammenhang nicht sieht."

"Es sind noch Gelder da"

Eigentlich wäre es auch gar nicht nötig, Schulsozialarbeitern zu kündigen, urteilt Thomas Pudelko vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband in Berlin. "Es sind noch Gelder da." Denn die Kommunen hätten die Mittel aus dem Teilhabe- und Bildungspaket für Hausaufgabenhilfe, Schulmaterialien oder Klassenfahrten nicht ganz ausgeschöpft. Allein in Nordrhein-Westfalen handele es sich dabei um elf Millionen Euro. Die Frage, ob dieses Geld für die Schulsozialarbeit verwendet werden darf, müsse aber erst juristisch geklärt werden.

Doch auch das könne nur eine Übergangslösung sein, räumt der Schulexperte ein. Rund 400 Millionen Euro seien jährlich nötig, um die Schulsozialarbeit aus dem BuT-Projekt weiterzufinanzieren. Geld, das auch aus dem Bundesbildungsministerium kommen könnte. Denn laut Koalitionsvertrag soll der Bund die Länder im Bereich der Kinderkrippen, Kitas, Schulen und Hochschulen mit rund sechs Milliarden Euro entlasten. Aber wie die Länder die Mittel in der Bildungspolitik ausgeben, entscheiden sie selbst.