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TV-Tipp des Tages: "Der Prediger" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Der Prediger", 5. Februar, 20.15 Uhr im Ersten
Jan-Josef Geissler ist ein inhaftierter Frauenmörder, der im Gefängnis zu Gott gefunden haben will und mit offizieller Unterstützung der Kirche Theologie studieren möchte.

Es ist nicht leicht, sich mit diesem Film anzufreunden, denn darauf scheint er keinen Wert zu legen. Doch der erste Eindruck täuscht: Was wie ein ausgesprochen abstrakter theologischer und philosophischer Diskurs beginnt, wandelt sich mehr und mehr zu einem Glaubenskampf. Der Reiz der Geschichte liegt nicht zuletzt in einer dramaturgischen Raffinesse: Regisseur Thomas Berger ("Kommissarin Lucas", "Wir sind das Volk") hat ein Drehbuch mit gleich drei Hauptfiguren geschrieben; sie alle könnten die Titelfigur sein.
Zunächst jedoch scheint diese Rolle klar vergeben: Jan-Josef Geissler ist ein inhaftierter Frauenmörder, der im Gefängnis zu Gott gefunden haben will und mit offizieller Unterstützung der Kirche Theologie studieren möchte. Da eine entsprechende Genehmigung überhaupt nicht nötig wäre, halten Geisslers Gegner den Antrag für einen reinen Mediencoup, gezielt kurz vor einer außergerichtlichen Anhörung lanciert, die zu einer Wiederaufnahme des Verfahren führen könnte. Lars Eidinger versieht diesen Mann mit einem Charisma, das keinen Zweifel daran lässt, warum er derart polarisiert: Die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn.

Rhetorischer Schlagabtausch

Umso größer war die Herausforderung, einen Gegenspieler zu finden, der Eidinger auf Augenhöhe begegnet. Geisslers Antagonist ist Ralf Remberg, der persönliche Referent des Münchener Bischofs (Erwin Steinhauer), der sich im Gefängnis ein Bild von dem verurteilten Mörder machen soll. Dank Devid Striesow, Bergers großartigen Dialogen sowie seiner Auflösung dieser Szenen liefern sich die beiden herausragenden Schauspieler ein darstellerisches Duell, wie man es in dieser Qualität im Fernsehen nur selten sieht.

Der rhetorische Schlagabtausch ist jedoch nur der Auftakt zu einem Kampf, der fortan quasi hinter den Bildern stattfindet. Die Begegnung mit Geissler hat Folgen für Remberg: Er hat zwar eine rasante klerikale Karriere hinter sich, aber seinen Glauben bloß noch verwaltet. Und nun bringt Berger die dritte Hauptfigur ins Spiel: Götz Schubert spielt Klaus Spori, den örtlichen Priester, der in der bayerischen Kleinstadt auch für das Gefängnis zuständig ist, einen Mann also, der mit beiden Beinen im Leben steht und dafür sorgt, dass Remberg seinen Elfenbeinturm nicht nur körperlich, sondern auch geistig verlässt. Bergers Bilder sind eine schöne Illustrierung für die Entwicklung, die Referent vollzieht: Weil Spori mit seinem alten Käfer immer mit dreißig über die Landstraße schleicht, setzt sich der ungeduldige Remberg alsbald selbst ans Steuer. Für Sporis Liebe zur Schöpfung oder gar seine kindliche Einladung zu einem Wettrennen hat er keinerlei Verständnis; aber am Ende wird er es sein, der den Kollegen herausfordert.

Außerdem hat sich Remberg in der Zwischenzeit verliebt, und auch dies hat selbstredend Einfluss auf seinen Sinneswandel. Die Besetzung dieser vergleichsweise kleinen Frauenrolle mit Susanne Wolff signalisiert ihre Bedeutung. Ansonsten ist "Der Prediger" ein reiner Männerfilm. Zum Ensemble gehört des Weiteren Alexander Held als Geisslers Anwalt, der im Rahmen der Anhörung kurz vor Schluss überzeugend Geisslers Unschuld darlegt. Auch hier beweist Berger sein großes Talent für die Auflösung einer an sich völlig schmucklosen Szene: Helds Monolog ist nicht minder intensiv als die Dialoggefechte zwischen Eidinger und Striesow. Beinahe beiläufig entwickelt Berger zudem den Entwurf eines tristen Daseins: Geisslers vermeintliches Opfer war ein bedauernswertes, lebensmüdes Geschöpf, dass den klugen, attraktiven Mann für seinen Retter hielt; und doch weiß man auch dank Eidingers hintergründigem Spiel bis zuletzt nicht, welches das wahre Gesicht Geisslers ist.

Ganz erheblichen Anteil gerade an der Wirkung der dialogreichen Szenen hat die Bildgestaltung durch Gunnar Fuß, dessen Licht zudem dafür sorgt, dass Eidingers Augen noch blauer als sonst wirken. Striesow dagegen, eigentlich nicht minder blauäugig, muss sein Wesen zunächst hinter einer Brille verbergen, die er im Verlauf des Films immer öfter abnimmt. Natürlich vermittelt er dank seines nuancierten Spiels auch so, dass sich Remberg zunehmend wohler in seiner Haut fühlt, aber die Brille hilft dabei; auch große Schauspieler dürfen mit kleinen Tricks arbeiten.