Ein dicker Schal, eine warme Pudelmütze, Fausthandschuhe mit Fell, die geringelten Wollsocken von Oma – geht alles nicht. Und sei es noch so kalt in der Kirche oder auf dem Friedhof. Die Kleiderordnungen der Landeskirchen lassen Pfarrerinnen und Pfarrern kaum Spielraum bei der Wahl der Kleidung: Vorgeschrieben sind der schwarze Talar, dazu ein weißes Beffchen, Kragen oder Krause; mancherorts sind je nach Anlass Chorhemden, Alben und Stolen erlaubt. Die Amtstracht soll Kompetenz zum Ausdruck bringen, Pfarrer sollen ihrer Rolle entsprechen auftreten, Haltung bewahren. Absolut ausgeschlossen sind daher auch Jacken und Mäntel über dem liturgischen Gewand. Wer leicht friert, kann einen dickeren Talar auswählen: Die Pfarrer-Tracht besteht fast immer aus Wolle, und die speichert Körperwärme.
Wenn schon obendrüber nichts Wärmendes erlaubt ist, geht es zumindest untendrunter: Zu Beerdigungen und zu Gottesdiensten in großen kalten Kirchen empfehlen sich Angora-Unterhemden, lange Unterhosen und dicke schwarze Socken. Pfarrerin Ivonne Heinrich aus Diedenbergen (Hessen), die im Theologischen Seminar in Herborn Vikare im Fach Liturgische Präsenz unterrichtet, hat einen entscheidenden Tipp für all die Kleidungsstücke, die man unter den Enden des Talars sehen kann: Sie sollten schwarz oder weiß sein. "Wenn man was Quietschgrünes trägt, sind die Leute einfach abgelenkt, weil es vorne am Ärmel rausguckt", gibt sie zu bedenken. Auch allzu grobe Strick-Ärmel findet Heinrich unpassend. "Man kann durchaus einen Pullover drunter haben, das ist überhaupt nicht der Punkt, aber irgendwas Feines soll es eben sein." Um den Hals zu wärmen, findet sie schwarze Rollkragenpullis am unauffälligsten.
Im Notfall Handschuhe anziehen?
So richtig kalt wird es natürlich erst außerhalb der Kirche. Ivonne Heinrich hat lange Zeit auf dem Westerwald gearbeitet und erinnert sich an eisige Amtshandlungen: Beerdigungen bei Frost und Schnee. Da frieren besonders Kopf und Hände. "Bei einer Beerdigung in meiner Anfangszeit hatte ich meine Mappe draußen, und es war so kalt, dass ich es nicht mehr geschafft habe umzublättern. Meine Finger waren richtig steifgefroren." Darf eine Pfarrerin keine Handschuhe anziehen? Oberkirchenrat Stephan Goldschmidt, Referent für Gottesdienst und Kirchenmusik bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover, meint: "Im Notfall, wenn es extrem kalt ist, kann man schwarze Lederhandschuhe tragen."
Doch Ivonne Heinrich findet Handschuhe am Grab völlig deplatziert. "Gerade weil man ja am Schluss den Segen spricht und dabei ja auch die Hände hebt. Und die Handschuhe vorher ausziehen - das ist liturgisch dann noch schräger." Ihre Lösung: Sie hat alle Texte, die sie als Pfarrerin draußen am Grab sprechen muss, auswendig gelernt. So muss sie keine Mappe mehr mit nach draußen nehmen, hat die Hände frei und kann sie vorn verschränkt in die weiten Ärmel des Talars stecken. Dort ist es warm, und die Körperhaltung wirkt trotzdem seriös und angemessen.
"Immer diese Beerdigungen", seufzt auch Ulrike Trautwein, die 14 Jahre lang Pfarrerin in Frankfurt am Main war, bevor sie Generalsuperintendentin in Berlin wurde. Warme Unterhemden und lange Unterhosen halfen nur bedingt, denn "Füße und Hände, das ist mein Problem." Handschuhe kommen auch für Ulrike Trautwein nicht in Frage. "Das gibt's nicht, da muss man durch, und wenn es minus 50 Grad kalt ist." Also hat sie sich Taschenwärmer besorgt, die man knicken muss, damit sie heiß werden. "Die habe ich auf beiden Seiten in die Talartasche gesteckt und immer wenn man es nicht sah, hab ich die geknickt und meine Hände in den Taschen gewärmt."
So überstand sie die Beerdigungen einigermaßen warm. Die Lösung für ihre kalten Füße war relativ einfach: dicke mit Fell gefütterte Stiefel. Ihre Kollegin Ivonne Heinrich empfiehlt zusätzlich ein recht grobes Profil unter den Sohlen: "Man läuft ja mal über den Rasen oder über einen verschneiten Weg." Zum Grab zu rutschen und zu schlittern wäre im wahrsten Sinn des Wortes eine liturgische Entgleisung.
Es gibt nichts auf die Ohren
Ungelöst bleibt bisher das Problem mit den Ohren: Die leiden bei Beerdigungen besonders unter Kälte und Wind. "Das ist ein sensibler Punkt", sagt Oberkirchenrat Stephan Goldschmidt. Die einzige Kopfbedeckung, die das Kirchenrecht für Pfarrer vorsieht, ist in den meisten Landeskirchen das Barett aus schwarzem Samt oder Wollstoff. So steht zum Beispiel in der Verwaltungsverordnung über liturgische Kleidung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau: "Als Kopfbedeckung im Freien darf zur Amtstracht nur das Barett getragen werden." In der Evangelischen Kirche der Pfalz ist in einer lesenswerten königlichen Bestimmung von 1843 sogar festgelegt, dass das Barett zur Amtstracht gehört und "allerwärts getragen werden muss".
Die Kopfbedeckung kennt man vielleicht von Porträts des Reformators Martin Luther – heute ist das Barett aus der Mode gekommen, jedenfalls bei Pfarrern. "Die Tendenz nimmt ab, früher war das üblicher als heute", sagt Stephan Goldschmidt und vermutet, dass die meisten Kollegen schon aus Kostengründen auf die Anschaffung verzichten: Die guten Stücke kosten 60 Euro aufwärts. "Vielleicht jeder Zehnte" kaufe ein Barett zum Talar, berichtet Christian Barthelms, Inhaber der Firma Assmann, Fachlieferant für evangelischen Kirchenbedarf in Lüdenscheid. Einen etwas anderen Trend beobachtet dagegen Martina Wasmer, Inhaberin der Gewandmeisterei Wasmer in Issigau (Bayern): Die Kopfbedeckungen würden "in letzter Zeit immer öfter" gekauft. Allerdings stellt Wasmer fest: "Die werden nur im Winter bestellt, im Sommer nimmt keiner ein Barett."
Vikare, die im Winter ihre Amtstracht kaufen, sollten allerdings bedenken: Ein Barett hilft nicht gegen kalte Ohren, aber es schützt immerhin ein wenig vor Regen, Hagel oder Schnee. "Das ist nicht so ohne, mit Schirm kann man schlecht ans Grab stapfen", sagt Ulrike Trautwein. "Als junge Pfarrerin hab ich da gestanden wie ein begossener Pudel." Oberkirchenrat Stephan Goldschmidt rät, dass man jemanden beauftragt, der einem einen Regenschirm hält. "Der Bestatter kann das gut machen." Nach der Erfahrung von Ulrike Trautwein kommt mittlerweile meistens von selbst jemand auf die Idee, die Pfarrerin während ihrer Ansprache zu beschirmen: "Heute springen die Menschen einem eher bei." Eine Geste, die zumindest von innen wärmt.
Dieser Artikel erschien bereits im Februar 2015 auf evangelisch.de.