Man sieht ihnen an, dass sie das Demonstrieren nicht gewohnt sind. Rund 600 Frauen und Männer versammeln sich auf dem Stuttgarter Schlossplatz, um gegen den derzeit leidenschaftlich diskutierten baden-württembergischen Bildungsplan 2015 zu protestieren. Viele zählen zur älteren Generation, wirken bürgerlich. Ihre Plakate sind handgeschrieben. "Sex in jedem Fach? Nein danke", heißt es da. Auf einem anderen Schild lautet der Appell "Finger weg von unseren Kindern".
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Die Forderungen beziehen sich auf das Vorhaben der grün-roten Landesregierung, künftig an den Schulen fächerübergreifend unter anderem die "Akzeptanz sexueller Vielfalt" als Bildungsziel festzulegen. Schulkinder sollen lernen und anerkennen, dass es neben Heterosexuellen auch alle Formen der gleichgeschlechtlichen Liebe gibt. Gegen diesen Plan haben mehr als 192.000 Menschen eine Petition unterzeichnet. Zur Demonstration am Samstag in Stuttgart haben die Urheber der Petition aber nach eigenen Angaben keine Verbindung. Zwei Gegenpetitionen, die den Bildungsplan befürworten, erreichten rund 88.000 und 136.000 Unterschriften.
Die Befürworter des Bildungsplans sind auch auf der Straße. Weniger als 200 Meter Luftlinie entfernt sammeln sich auf dem Schillerplatz die 500 Teilnehmer einer Gegendemonstration. Grüne, Linke, Christopher Street Day (CSD) Stuttgart und ein Netzwerk von Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen haben dazu eingeladen. Unterstützung gibt es auch von Gewerkschaften und der atheistischen Giordano-Bruno-Stiftung.
Der Grünen-Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand wirft den Bildungsplan-Kritikern vor, sie wollten hetzerisch Ängste und Vorurteile schüren. Sexuelle Vielfalt sei kein Lebensstil, sondern ein fundamentales Menschenrecht. Christoph Michl vom Vorstand des CSD Stuttgart ruft den Demonstranten zu, dass die Akzeptanz sexueller Vielfalt hart erarbeitet werden müsse. Er bekräftigt Forderungen nach einer Öffnung der Ehe und nach einem gemeinsamen Adoptionsrecht für homosexuelle Paare.
"Wir sind nicht homophob"
Die Gegner des Bildungsplans fühlen sich in ihrer Kritik missverstanden. "Wir sind nicht homophob", sagt unter lautem Jubel Sprecher Hans Christian Fromm aus Heidelberg, der zu der Demonstration aufgerufen hatte. Doch wehre man sich gegen eine "staatlich verordnete Frühsexualisierung", die zudem grundgesetzwidrig sei. Die Sprecherin der "Initiative Familienschutz", Hedwig von Beverfoerde, wirft in einem Grußwort den Autoren des Bildungsplans vor, die Ehe zwischen Mann und Frau lediglich zu einer "simplen sexuellen Spielart" herabzustufen. Durch zu frühe Konfrontation mit verschiedensten sexuellen Formen und Praktiken werde das Schamgefühl der Kinder verletzt.
Während die Befürworter des Bildungsplans friedlich am Schiller-Denkmal ihre Argumente ausbreiten, sehen sich die Kritiker teilweise heftigen Störungen ausgesetzt. Schon vor dem eigentlichen Start brüllt eine als Clown verkleidete junge Frau: "Hätt' Maria abgetrieben, wärt Ihr uns erspart geblieben." Während der Kundgebung reißen Störer mehrfach das Mikrofonkabel aus der Buchse und funken mit Sprechgesängen dazwischen - die Polizei greift ein. Vor dem Neuen Schloss wird der Druck der Gegendemonstranten schließlich zu groß. Die Bildungsplan-Kritiker verzichten darauf, wie geplant bis vors Staatstheater zu ziehen, und brechen die Veranstaltung ab.