Der Begriff stammt aus einem Papier der Generalsynode der Anglikanischen Kirche von 2004. In dem Text geht es darum, dass "Kirche" viele Formen haben kann - auch außerhalb der traditionellen. Die Anglikanische und die Methodistische Kirche beschlossen, diese Formen zu fördern. Zur "fresh expressions"-Bewegung in Großbritannien gehören nun schon etwa 3.000 Projekte, die sich an kirchenferne Menschen richten.
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In Deutschland gibt es seit 2012 ein "Fresh-X"-Netzwerk, zu dem sich inzwischen 15 Partner zusammengeschlossen haben. Dazu gehören unter anderem die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannover, das Bistum Hildesheim, die Evangelisch-Methodistische Kirche und das Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung in Greifswald. Koordiniert wird die deutsche Version von "Fresh X" über das Evangelische Jugendwerk in Württemberg, finanziert bislang vor allem von der amerikanischen Familienstiftung Maclellan.
Vier Stichworte beschreiben das Konzept: missional, kontextual, lebensverändern, gemeindebildend. Ausformuliert heißt das, die Beteiligten wollen "Menschen ohne Kontakt zu Kirche und Gemeinde erreichen und ihnen dienen - auf eine Art und Weise, die für sie stimmig ist. Menschen in die Nachfolge Jesu einladen, damit eine neue Form von Gemeinde wächst und lebt." Entstehen sollen viele sogenannte "Fresh X", auf die das zutrifft.
Ist das der nächste Hype aus Amerika?
Zu den häufig gestellten Fragen an das Netzwerk gehört, ob es sich dabei um den nächsten Hype aus Amerika handelt. Der Gedanke liegt nah, schließlich kamen zuletzt viele Theorien zum Gemeindeaufbau aus den USA, und auch beim "Fresh-X"-Netzwerk geht es darum, wie die Gemeinde der Zukunft aussehen kann und wie sie Menschen aus unterschiedlichen Milieus erreicht.
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Das Netzwerk antwortet trotzdem "nein", das sei nicht der nächste Hype aus Amerika. Erstens stammt das Konzept aus England, und zweitens geht es nicht darum, bestehende Gemeinden zu verändern. "Fresh X" soll nicht die Kirchengemeinde vor Ort ersetzen oder mit ihr konkurrieren. Beide sollen nebeneinander bestehen. "Fresh X" ist für Menschen, die ohnehin nicht zum Gottesdienst kommen würden. Um schon den Anschein der Konkurrenz zu vermeiden, hält das Netzwerk an dem Begriff "Fresh X" fest, statt von neuen Gemeinden zu sprechen. "Das ist nichts für gelangweilte Christen, denen das Bestehende nicht gefällt", sagt Prozesskoordinator Michael Born. "Nur wenn es für Menschen ist, die noch nicht glauben, ist es auch eine 'Fresh X'".
Die "Fresh X" soll eine gleichwertige Form sein, nicht nur eine Art Vorkurs sein, um Menschen auf die "richtige Kirche" vorzubereiten. "Unser Denken über Kirche ist seit der konstantinischen Wende von der Staatskirche geformt", sagt Reinhold Krebs, Landesreferent des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg. Kirche könne aber auch ganz anders aussehen. Bei den "Fresh X" sei das Herzstück der Aufbruch in neue Lebenswelten und die ökumenische Zusammenarbeit.
Bei der Untersuchung einiger "Fresh X" in England stellte sich heraus, dass rund 40 Prozent der Besucher durch sie erstmals in Kontakt mit Kirche gekommen waren. Solche "englischen Verhältnisse" wünscht sich Krebs auch in Deutschland.
"Wir hoffen, dass unser Saatgut aufgeht"
Wie viele es derzeit in Deutschland gibt und ob durch die Arbeit des Netzwerks schon neue Projekte entstanden sind, können die Verantwortlichen nicht sagen. Noch sind sie dabei, das Konzept bekannt zu machen. Das Netzwerk hat die "Fresh X"-Website gestaltet, um Interessierte zusammen zu bringen. "Wir meinen: Wenn wir überkonfessionell und überregional zusammen arbeiten, ist einiges möglich", sagt Krebs, "wir haben viel Saatgut in den Boden geworfen und wir hoffen, dass es aufgeht."
Als sie die Idee für Deutschland adaptierten, stellten sie fest, dass es schon einige Gruppen gab, die nach ähnlichen Prinzipien arbeiten. Auf der Website gibt es nun eine Datenbank, in der man sehen kann, was wo stattfindet. Man kann auch sein eigenes Projekt eintragen, wenn es die "Fresh-X"-Vorgaben erfüllt. Elf Gruppen haben das bislang getan. Kurze Videoclips stellen insgesamt 19 einzelne Projekte aus unterschiedlichen Städten vor.
Nagelstudio statt Seelsorgefreizeit
Eine "Fresh X" soll Glauben relevant machen. Das bezieht sich nicht auf den Inhalt, sondern auf die Form: "Wir müssen uns selbst fragen: Was an unserem Glauben, so wie wir ihn leben, hat mit unserem Milieu zu tun - und darf auch ganz anders sein?", sagt Born. "Passiert Lebensveränderung nur, wenn ich eine 20-minütige Predigt höre?" Er findet: "Ein Tischgespräch kann gleichwertig sein." Es gehe um Rückbesinnung auf Mission als Kernbestand der Gemeinde. Und diese Mission würde eben nicht bedeuten, alle Menschen in eine bestehende Form zu holen.
In Stuttgart zum Beispiel haben sich zwei Christinnen als Nageldesignerinnen ausbilden lassen. Sie wollen ein Nagelstudio eröffnen und die Frauen kennenlernen, die zu ihnen kommen. Die Idee: Beim Nägelmachen wird schnell über Persönliches gesprochen - warum sollten nicht auch Christen zuhören?
Für alle Interessierten an dem "Fresh X"-Konzept bietet das Netzwerk zwei Kurse an. Beide Kurse wurden aus Großbritannien übernommen, übersetzt und dann für die Ökumene in Deutschland adaptiert. Der Intro-Kurs steht auf der Website, man kann ihn kostenlos herunterladen. Er ist für fünf Treffen ausgelegt und richtet sich zum Beispiel an Gemeinden, die missionarischer werden wollen. Der zweite Kurs ist noch in der Testphase. Er soll sechs bis zwölf Monate dauern und den Teams aus unterschiedlichen Gemeinden helfen, die gemeinsam etwas Neues beginnen wollen oder dies vielleicht schon tun.