Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Gewalt
Die EKD überprüft in ihrem Positionspapier "Selig sind die Friedfertigen" am Beispiel Afghanistan ihr Leitbild eines gerechten Friedens.
27.01.2014
epd
Rainer Clos

Ein knappes Jahr vor dem Ende des Afghanistan-Einsatzes hat ein Beraterkreis aus Theologen, Politikern, Militärs und Wissenschaftlern diesen Einsatz neu bewertet. Die Kammer für Öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) legte unter Vorsitz des Verfassungsrechtlers Hans-Jürgen Papier ein neues friedensethisches Positionspapier vor.

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Die Bilanz unter dem Titel "Selig sind die Friedfertigen", die sich nicht als wissenschaftliche Evaluation erhebt, sondern als theologisch-ethische Orientierung verstanden wissen will, fällt überwiegend kritisch aus: In weiten Teilen Afghanistans sei die Sicherheitslage prekär, es fehle an rechtsstaatliche und friedensfördernde Strukturen und Armut sei noch immer weit verbreitet.

Zentraler Kritikpunkt am Militäreinsatz am Hindukusch ist aus Sicht der Experten, dass von Anfang an ein friedens- und sicherheitspolitisches Gesamtkonzept nach der Formel "Vorrang des Zivilen" gefehlt hat. Ein derart stimmiges Konzept inklusive Ausstiegsszenarien hätte die Eigendynamik des Militärischen besser begrenzen können, lautet ein Befund.

Ein Zusammenleben in Gerechtigkeit

Folie für die EKD-Bestandsaufnahme am Fallbeispiel Afghanistan ist das Leitbild des gerechten Friedens. Dieser Schlüsselbegriff markiert seit der Denkschrift "Aus Gottes Frieden leben -– für gerechten Frieden sorgen" von 2007 einen breiten Konsens in der evangelischen Friedenethik. "Der Text gibt den mündigen Christenmenschen und Staatsbürgern in Kirche und Politik eine Hilfe zur Urteilsbildung; diese selbst kann und will er ihnen nicht abnehmen", skizzierte der Sozialethiker Hans-Richard Reuter die Aufgabe der EKD-Denkschrift.

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"Friede erschöpft sich nicht in der Abwesenheit von Gewalt, sondern hat ein Zusammenleben in Gerechtigkeit zum Ziel", wird darin das Konzept des gerechten Friedens skizziert. Deshalb müssten sich friedensfördernde Prozesse auf Schutz vor Gewalt, Förderung von Freiheit durch Gewährung von Menschenrechten, Abbau von Not sowie Akzeptanz kultureller Verschiedenheit richten.

Leitsätze des EKD-Dokumentes sind: Wer den Frieden will, muss den Frieden vorbereiten. Wer aus dem Frieden Gottes lebt, tritt für den Frieden in der Welt ein. Gerechter Friede in der globalisierten Welt setzt den Ausbau der internationalen Rechtsordnung voraus. Staatliche Sicherheits- und Friedenspolitik muss von den Konzepten der menschlichen Sicherheit und der menschlichen Entwicklung her gedacht werden.

Gerechter Friede - gerechter Krieg?

Eindeutiger Vorrang wird in der Denkschrift der zivilen Konfliktbearbeitung beigemessen. Die Anwendung von militärischer Gewalt als ultima ratio‘ (äußerstes Mittel) ist nur legitim, "soweit sie im Dienst des Rechts steht", argumentiert der evangelische Sozialethiker Wolfgang Huber.

Der Leitbegriff des gerechten Friedens ist in der ökumenischen Diskussion schon länger virulent. In der Dresdener Ökumenischen Versammlung 1989 wurde das Konzept des gerechten Friedens anstelle der "Lehre vom gerechten Krieg" postuliert. Bewusst an die Traditionen der Kirchen in der DDR anknüpfend wird 2001 in den EKD-Orientierungspunkten "Schritte auf dem Weg des Friedens" auf den gerechten Frieden Bezug genommen.

Dass die friedensethische Debatte auch mit dem aktuellen Papier nicht zu Ende ist, zeigen die Konflikte in Syrien und mehreren afrikanischen Ländern. Infolge des Afghanistan-Einsatzes sehen die Autoren bei der gezielten Tötung nichtstaatlicher Gewaltakteure und neuartiger Militärtechnologie wie Drohnen und Kampfroboter dringenden Klärungsbedarf.