Foto: epd-bild / Norbert Neetz
Pastor Renke Brahms, Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Brahms: "Gewaltlosigkeit erwächst aus Glaube und Hoffnung"
Der Friedensbeauftragte der EKD zur Lage in Afghanistan
Unter dem Titel "Selig sind die Friedfertigen" zieht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eine friedensethische Zwischenbilanz des gut zwölfjährigen Einsatzes internationaler Truppen in Afghanistan. Der Friedensbeauftragte der EKD, Renke Brahms, erläutert die Kritik, wonach ein klares politisches Gesamtkonzept unter dem Primat des Zivilen gefehlt habe. Es sei "nicht viel besser geworden" in Afghanistan, sagte der leitende Bremer Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Nichts ist gut in Afghanistan" sagte Margot Käßmann an Neujahr 2010 in der Frauenkirche Dresden. Herr Brahms, wie sehen Sie die Lage vier Jahre später? Nichts gut?

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Renke Brahms: Es gibt unzweifelhaft Fortschritte im Bereich Bildung, Frauenrechte, im Aufbau der Polizei und der Armee, in kleinen Teilen der Regierungsfähigkeit. Aber angesichts der eingesetzten militärischen und zivilen Mittel ist die Entwicklung langsam und schwach. Die Sicherheitslage ist fragil, es gibt wieder deutlich mehr Opfer von Anschlägen der Taliban. Die Wirtschaftsentwicklung ist langsamer geworden, die Regierung ist korrupt und weit weg von guter Führung. Es ist nicht viel besser geworden.

Welche friedenspolitischen Lehren zieht die Kirche aus dem Afghanistan-Einsatz?

Brahms: Ich bin überzeugt, dass Interventionen wie in Afghanistan in Zukunft nicht wieder so schnell begonnen werden. Es hat von Anfang an eine widersprüchliche und sich ständig ändernde Zielsetzung gegeben. Es ist Konsens in der Stellungnahme der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD, dass ein klares politisches Gesamtkonzept unter dem Primat des Zivilen für Afghanistan gefehlt hat. Die nationale Abstimmung zwischen den Ministerien hat genauso versagt wie die der internationalen Partner im Afghanistan-Einsatz.

"Das Land und die Menschen dürfen nicht aus dem Blick der Weltöffentlichkeit verschwinden"

Besonders kontrovers wird in der Öffentlichkeit über den Einsatz von Kampfdrohnen in Afghanistan und den angrenzenden Regionen diskutiert. Wie stehen Sie dazu?

Brahms: Es ist wichtig, Vor- und Nachteile eines solchen Systems sorgfältig zu prüfen und zu diskutieren. Meines Erachtens ist der Einsatz bewaffneter Drohnen durch die USA in Pakistan völkerrechtlich nicht zu begründen. Dieser Einsatz zeigt mir, wie diese Waffe missbraucht werden kann. Es wundert mich sehr, dass über die Anschaffung in Deutschland diskutiert wurde, ohne ein klares Bekenntnis zur Rüstungskontrolle. Wir diskutieren diese Frage auch an der Grenze zu automatisierten Waffensystemen. Ich denke, dass bewaffnete Drohnen einer strengen Rüstungskontrolle unterzogen werden müssen. Darüber hinaus ist über eine Nichtverbreitung zu reden, und langfristig ist auch die Ächtung dieses Waffensystems in Betracht zu ziehen.

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Welche friedenspolitischen Aufgaben mit Blick auf Afghanistan sehen Sie, wenn nun die Kampftruppen abziehen? Nach einer Pastoralreise in Afghanistan 2011 sprachen Sie als Mitglied einer hochrangigen EKD-Delegation von "Hoffnung auf dünnem Eis" ...

Brahms: Die Situation ist immer noch fragil, das Eis ist nicht wirklich dicker geworden. Wichtig ist, dass die internationale Gemeinschaft zu ihren Zusagen steht, Afghanistan weiter zu unterstützen. Das Land und die Menschen dürfen nicht aus dem Blick der Weltöffentlichkeit verschwinden, weil die Truppen weitgehend abziehen. Das gilt übrigens auch für die zivilen afghanischen Mitarbeitenden der Bundeswehr, die geschützt und bei großer Gefährdung in Deutschland aufgenommen werden müssen.

Es kommt allerdings auch auf Afghanistan selbst an. Die Weichenstellung der kommenden Präsidentschaftswahlen spielt eine große Rolle und die Frage, und ob ein Verständigungsprozess mit den Aufständischen gelingen kann.

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Sie sprechen mit Blick auf Afghanistan über das friedensethische Leitbild des Gerechten Friedens. Was heißt das?

Brahms: Das umreißt den Zusammenhang von Frieden, Gerechtigkeit und Recht unter dem Vorrang des Zivilen. Das Leitbild des Gerechten Friedens schärft die Sensibilität und das ethische Gewissen - und das ist nötig. Es legt das Schwergewicht auf die Prävention - und auch das muss eine Lehre aus Afghanistan sein. Das Leitbild des Gerechten Friedens bedeutet gleichzeitig eine Spiritualität der Gewaltlosigkeit. Das meint eine Haltung, die aus der Kraft des Glaubens und einer Hoffnung erwächst und die sich für Christenmenschen an der Haltung Jesu ausrichtet. Dabei gibt es auch Verbindungen zu anderen Religionen. Diese Haltung gilt es zu leben und weiterzuentwickeln.

Hat der Einsatz militärischer Gewalt in Afghanistan nicht eine Eigendynamik entwickelt, die das Leitbild hat scheitern lassen?

Brahms: Ja, es hat sich eine Eigendynamik militärischer Mittel entwickelt. Gerade angesichts dieser Entwicklung bestätigt sich das Leitbild des Gerechten Friedens, weil es sich kritisch damit auseinandersetzt, weil es die Prävention und Instrumente einer gewaltfreien Konfliktbearbeitung betont.