Als der Saarländische Rundfunk im Januar vorigen Jahres seinen neuen "Tatort"-Kommissar auf Verbrecherjagd schickte, gab es große Irritationen: Viele Zuschauer und vor allem die Kritiker hielten den von Devid Striesow tatsächlich recht schräg angelegten Ermittler für einen Clown und die ersten beiden Krimis für verunglückte Parodien. Dabei hatten Redaktion und Produktionsfirma gemeinsam mit dem krimiversierten Regisseur Hannu Salonen nach neuen Wegen gesucht. Die Ergebnisse waren der Kritik zum Trotz vor allem dank Salonens Inszenierung ausgesprochen reizvoll, und Striesow bereicherte den Sonntagskrimi auch dank einiger darstellerischer Absonderlichkeiten um eine ungewöhnliche Figur.
Ungewöhnlich ist Kriminalhauptkommissar Jens Stellbrink immer noch, aber ansonsten wirkt "Adams Alptraum", als habe man sich beim SR über die letztjährige Kritik und somit auch die eigene Courage erschreckt. Das gilt vor allem für Salonens Umsetzung, die im Vergleich zu den optisch ungemein reizvollen ersten Fällen ("Melinda", "Eine Handvoll Paradies") fast konventionell wirkt. Die Geschichte (Lars Montag/Dirk Kämper) greift dafür ein brisantes Thema auf: Ein allseits gefeierter ehrenamtlicher Jugendschwimmtrainer wird unmittelbar nach einer Ehrung auf offener Straße überfallen und von einem Dutzend vermummter Gestalten fast zu Tode geprügelt. Sprühschmähungen beschimpfen den Mann als pädophil. Die Spur führt ins Internet: Angeblich hat er sich in einem Schwimmer-Chat unter dem Decknamen Adam einem Jungen verbal unsittlich genähert. Das vermeintliche Kind entpuppt sich allerdings als Teenager, der dem Schwimmtrainer eine Falle stellen wollte. Für die Boulevardpresse ist der Fall natürlich ein gefundenes Fressen. Stellbrink hingegen bezweifelt die scheinbar offenkundigen Tatsachen, wird aber wie schon im letzten Fall durch die Staatsanwältin Dubois (Sandra Steinbach) zurückgepfiffen, denn bei dem Teenager handelt es sich um den Sohn einer Politikerin. Außerdem kann der Kommissar eine entscheidende Frage nicht beantworten: Wenn sich der Schwimmtrainer nichts hat zu Schulden kommen lassen, wer ist dann Adam?
Die Handlung ist durchaus interessant, zumal das Drehbuch natürlich noch diverse Umwege eingebaut hat, aber richtig spannend wird "Adams Alptraum" erst zum Finale, als sich Stellbrink auf ein waghalsiges Spiel einlässt: Er gibt sich im Chat als "Kinderfreund" aus, um die Schläger in die Falle zu locken. Die Aufdeckung der Identität Adams ist zudem eine überraschende Dreingabe. Trotzdem fällt der Film nicht aus dem Rahmen, ihm fehlt der Mut zu einer Experimentierfreudigkeit, mit der man das Publikum natürlich polarisieren würde.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Erfreuten die ersten Stellbrink-Krimis gerade durch ihre originelle Bildgestaltung, halten sich Salonen und Kameramann Wolf Siegelmann diesmal brav an die üblichen "Tatort"-Konventionen, selbst wenn das Licht oft interessant ist und die Handlung mitunter aus überraschender Perspektive erzählt wird. Gerade der ständige Blickwechsel beim Finale steigert die Dramatik erheblich.