Eifel 65 dröhnt aus den Boxen einer Aschaffenburger Disco, "I´m blue, da be dee, da be dei". Dazu blaue Lichtstahlen auf der Tanzfläche, plötzlich leuchten Sörens Augen Claudia regelrecht an. Die beiden kommen ins Gespräch und finden sich sympathisch. Der Abend wird lang und weil er noch keinen Führerschein hat, bietet Claudia an, ihn heimzufahren.
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Als am nächsten Morgen die ersten Menschen zur Kirche gehen, sitzen die beiden noch wild knutschend im Auto, "die Scheiben waren schon ganz beschlagen", erzählt Claudia. Das war 1999, er war damals 17, sie 19 Jahre alt. Ihr zweites Date hatten die beiden im Kino. Durch einen Fahrradunfall hatte er seine Schulter in einer Schlinge, konnte sich kaum bewegen und war sehr zurückhaltend. "Ich war echt traurig darüber. Als er mich nach dem Film mit zu sich nach Hause nahm, haben wir stundenlang Bilder aus seiner Vergangenheit angesehen. Als Bilder seiner Eltern kamen, auf denen er noch gar nicht geboren war, hatte ich keine Geduld mehr und habe ihn einfach geküsst", erzählt Claudia. "Dann war klar, wir sind ein Paar."
Hin und wieder zweifelte Claudia auch mal an ihrer Beziehung. Selbst als die beiden 2005 in eine gemeinsame Wohnung zogen, dachte sie nicht unbedingt daran, Sören zu heiraten - sie haben sogar jeweils eigene Möbel gekauft. "Manchmal habe ich gedacht, vielleicht kommt doch noch jemand, der besser zu mir passt, aber wenn Zweifel da waren, haben wir miteinander geredet." Sie glaubt, wenn man sich das nicht traut, "braut sich was zusammen, was irgendwann nicht mehr zu kitten ist." Sören hatte nie Zweifel an der Beziehung. Als Jugendlicher fand er es toll, eine ältere Freundin zu haben. Seit anderthalb Jahren sind die beiden verheiratet.
Eine Jugendliebe muss viele Hindernisse überwinden
Die Jugendliebe ist brüchig. Wer sich jung kennen lernt, läuft Gefahr, dass die Beziehung nicht lange hält. Eva-Verena Wendt, die derzeit am Deutschen Jugendinstitut tätig ist, hat an der pairfam-Studie mitgearbeitet, in der unter anderem Liebesbeziehungen Jugendlicher untersucht wurden. Die Studie zeigt laut Wendt, dass 55 Prozent der Liebesbeziehungen von 15- bis 17-Jährigen nach einem Jahr wieder beendet werden. Bei den 25- bis 27-Jährigen liegt der Anteil bei etwa 11 Prozent. Bei Erwachsenen zwischen 25 und 37 Jahren ist mehr als ein Drittel noch mit seinem ersten längeren Beziehungspartner liiert.
Doch was macht die Jugendliebe so einmalig? Eva-Verena Wendt sagt, die Jugendlichen lernen, sich einem Partner zu öffnen, Gefühle und Geheimnisse zu teilen und machen teils gemeinsam erste sexuelle Erfahrungen. Selbst wenn die Jugendliebe im weiteren Leben keine größere Rolle mehr spielt, erlaube sie einem, "ein bisschen zu träumen, was wohl gewesen wäre, wenn man zusammengeblieben wäre", erklärt Wendt. "An diesen Vorstellungen halten sich viele fest, obwohl keiner weiß, ob es je so gekommen wäre."
Es gibt viele Gründe, warum eine junge Beziehung scheitern kann. Wendt nennt beispielsweise unterschiedliche Ideen zur Freizeitgestaltung, Probleme mit Freunden oder den Eltern - den eigenen oder denen des Partners. Wolfgang Hantel-Quitmann, Professor für Klinische- und Familienpsychologie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, ergänzt, problematisch sei für viele junge Menschen, dass sie noch ihre eigene Identität entwickeln müssten und außerdem noch nicht wüssten, "wie man Intimität jenseits von Sexualität erreichen kann". Der Unterschied zwischen einem ersten Verliebtsein und einer reifen Liebe bestehe auch darin, dass die Partner sich gegenseitig nicht mehr nur idealiseren. Beide müssten zu der Aussage kommen: "geprüft und für gut befunden".
Nach der ersten Ehe zurück zum Jugendfreund
Bettina und Jakob hatten lange Zeit, um zu prüfen, ob sie zueinander passen. Sie fand ihn schon in der Oberstufe toll, aber er war zwei Jahre älter als sie, damals eine halbe Ewigkeit. Sie haben auf Partys trotzdem wild zusammen getanzt, viel gelacht und Zeit miteinander verbracht. Als Bettina anfing zu studieren, hat sie Jakob aus den Augen verloren. Allerdings nicht lange, denn eine von Bettinas WG-Mitbewohnerinnen war mit Jakob zusammen. Dadurch haben sich beide immer wieder gesehen, und immer wieder war sie von ihm fasziniert. Chancen auf eine gemeinsame Beziehung gab es damals nicht. Beide heirateten irgendwann. Doch die Ehen gingen schließlich in die Brüche - fast zeitgleich.
Die beiden telefonierten immer häufiger und irgendwann fragte sie ihn, ob er sie zu einer Ausstellung begleitet. "Alleine hatte ich keine Lust und ich wusste, dass er in seiner Freizeit malt, da dachte ich, das könnte gut passen", erzählt Bettina. Es war ein kalter, sonniger Märztag, als die beiden sich trafen und zum Paar wurden. "Für mich war das Frühlingsanfang im doppelten Sinne", erzählt Bettina - und das mit Mitte 40. Heute sind sie miteinander verheiratet und das, obwohl Bettina klar sagt: "Ich war ein gebranntes Kind und wollte keinen Mann mehr."
Aufgewärmte Liebe hält länger
Eva-Verena Wendt bestätigt, dass jede Beziehungserfahrung unsere weiteren Beziehungen prägt - positiv wie negativ. "Manche suchen immer wieder denselben Typ Partner, manche wollen Ähnlichkeiten unbedingt vermeiden."
Psychologie-Professorin Nancy Kalish erforscht seit 1993 Liebesgeschichten von Menschen, die wieder mit ihrem ehemaligen Partner zusammenkommen. Sie fand die Teilnehmer über einen Aufruf in verschiedenen Medien. Eins ihrer Ergebnisse: Von 1001 untersuchten Fällen aus den USA und 35 weiteren Ländern waren zwei Drittel wieder mit ihrem ehemaligen Partner liiert, 78 Prozent von ihnen blieben zusammen. In der gesamten Stichprobe lag der Anteil bei 72 Prozent. Sie fand aber auch heraus: Ist mindestens einer der beiden ehemaligen Partner verheiratet, hat eine gemeinsame Beziehung kaum eine langfristige Chance.
Konflikte lassen eine Beziehung reifen
Bettina ist sich sicher, dass die frühe Vertrautheit ihr und Jakob geholfen hat, so spät den gemeinsamen Neuanfang zu wagen. "Ich kannte einen Teil seiner Vergangenheit, wir waren auf die gleiche Schule gegangen, hatten noch gemeinsame Bekannte von früher, da findet man schneller Anknüpfungspunkte, als wenn man sich ganz fremd ist und neu kennen lernt." Mit der Zeit haben beide immer mehr Gemeinsamkeiten festgestellt. Sie hatten gleiche Bücher gelesen, ähnliche Filme gesehen und gleiche Grundeinstellungen.
Auch Claudia sagt: "Es ist wichtig, dass mein Partner und ich einen gemeinsamen Lebensentwurf teilen. Wir wollen zum Beispiel beide ein eigenes Haus und Kinder. Familie und Freunde spielen in unserem Leben eine große Rolle und uns war beiden klar, dass jeder von uns einen Beruf haben möchte, der ihn ausfüllt." Ist so eine Basis nicht gegeben, müsse "sich immer einer verbiegen, dann hat die Beziehung trotz Liebe keine Chance". Und obwohl die beiden schon seit ihrer Jugend zusammen sind, hat keiner von beiden das Gefühl, etwas verpasst zu haben.
Wendt bekräftigt, dass gemeinsame Erfahrungen, eine ähnliche Herkunft und gemeinsame Freunde die Beziehung "im Optimalfall stabilisieren". Der Psychologe Hantel-Quitmann sieht noch einen anderen Aspekt: "Gemeinsamkeiten sind schön, aber nicht wesentlich. Der Kern einer Partnerschaft besteht darin, beiden eine persönliche Entwicklung zu ermöglichen, die sie allein nicht schaffen würden". Dazu gehöre auch, Alltagskonflikte und sonstige Herausforderungen gemeinsam zu lösen. Frei nach dem Motto: "Never change a winning team."
So wie bei Claudia und Sören. "Wir haben uns die guten Seiten von einander abgeschaut. Ich lebte früher fürs Wochenende, er ist ehrgeizig - jetzt bin ich das auch eher." Eine Trennung können sich die beiden nicht vorstellen, sagt Claudia: "Das wäre, als würde mir ein Körperteil amputiert."