Foto: epd-bild/Sebastian Stoll
Senay Gebregiyorgis ist Flüchtling aus Eritrea. In einem Schweizer Pilotprojekt absolviert er eine halbjährige Ausbildung zum Betreuungshelfer.
Als Flüchtling ins Altenheim
Senay Gebregiyorgis weiß, dass er bei seiner Arbeit auffällt: Er stammt aus Eritrea. Ein Problem ist das aber nicht, findet er - weder für ihn, noch für die Senioren, die er betreut. "Sie haben viel Lebenserfahrung. Ich bin ich gerne mit ihnen zusammen.
20.01.2014
epd
Sebastian Stoll

Einer von ihnen hat mir sogar angeboten, mit mir täglich 20 Minuten lang Schweizerdeutsch zu üben. Damit habe ich noch Probleme", sagt er - auf Hochdeutsch. Der 32-Jährige ist Flüchtling und angehender Betreuungshelfer in einem Altenheim im ostschweizerischen St. Gallen. Möglich ist das, weil das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) Menschen, die wie er aus ihrer Heimat fliehen mussten, gezielt für den heimischen Arbeitsmarkt ausbildet.

Sprachkurse und Hauswirtschaftsunterricht für Flüchtlinge

Vorerst ist es nur ein kleines Pilotprojekt. Etwa ein Dutzend Teilnehmer hat die Ausbildung durchlaufen oder ist soeben dabei, aber es ist eine wohlüberlegte Initiative. "Flüchtlinge haben es schwer, Arbeit zu finden. Gleichzeitig gibt es in der Altenbetreuung zu wenig Personal", sagt Ausbildungsleiterin Daniela Paci vom SRK.

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Seit November läuft der zweite Ausbildungskurs. Neben der Sprache lernen die Absolventen unter anderem den Umgang mit alten Menschen, auch bekommen sie Hauswirtschaftsunterricht sowie eine Einweisung in die Grundlagen der Körperpflege. Den theoretischen Teil übernimmt das SRK, die Praxis vermitteln verschiedene Heime im Stadtgebiet.

Die sechsmonatige Ausbildung ist unbezahlt, nach der Qualifizierung können die Flüchtlinge aber mit einem Bruttoeinkommen von etwa 2.800 Euro rechnen - nicht viel in der teuren Schweiz, aber genug zum Leben. Paci: "Die Chancen, eine Stelle zu finden, sind gut. Drei der fünf Auszubildenden aus dem ersten Kurs haben schon etwas, die anderen finden sicher auch noch eine Arbeit."

Kursteilnehmer bleiben langfristig in der Schweiz

Besondere Vorkenntnisse benötigen die Teilnehmer nicht, sie müssen nur das Interesse an sozialer Arbeit nachweisen. Für den früheren Pädagogik-Studenten Senay Gebregiyorgis war das nicht schwer.

Wie in Deutschland geht auch in der Schweiz nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge einer Beschäftigung nach. Das liegt zum einen an den restriktiv organisierten Arbeitsmärkten, aber oft auch an Vorbehalten der Arbeitgeber. "Gerade in der Pflege wird sich das notgedrungen ändern. Der Personalmangel zwingt die Einrichtungen zum Umdenken", sagt Paci.

Außer aus Eritrea kommen die Projekt-Teilnehmer aus Kamerun, Tibet, der Mongolei, dem Kongo und Angola - alles Länder, deren Flüchtlinge die Schweiz meistens anerkennt und in denen in den nächsten Jahren keine Änderung der innenpolitischen Situation zu erwarten ist: "Man kann also davon ausgehen, dass die bleiben werden. Unser Projekt ist auf Nachhaltigkeit angelegt."

Personalmangel eröffnet Berufschancen in der Pflege

Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer von Pro Asyl Deutschland, steht möglichen vergleichbaren Angeboten in Deutschland skeptisch gegenüber. Jene Asylbewerber, bei denen nicht klar ist, dass sie bleiben können, würden sonst schnell benachteiligt. "Es geht darum, die verbliebenen gesetzlichen Hindernisse beim Arbeitsmarktzugang auszuräumen", sagte Mesovic dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er nannte die Abschaffung des neunmonatigen absoluten Arbeitsverbotes, der Wegfall der sogenannten Vorrangprüfung, ob andere bevorrechtigte Job-Bewerber zur Verfügung stehen, sowie den verbesserten Zugang zu Integrations- und Deutschkursen. "Kurz: Integration von Anfang an. Man kann Menschen nicht auf Eis legen."

Aufgeschlossener gibt sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Er sieht Zuwanderung - auch aus Nicht-EU-Staaten - durchaus als Möglichkeit, den Pflege-Notstand zu beseitigen. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) moniert beim Schweizer Modell allerdings, dass es sich hier um Hilfskräfte handelt. "In Deutschland fehlen gegenwärtig vorrangig Pflegefachkräfte", sagte Präsident Bernd Meurer dem epd.

Ob er sich selber einmal zur Fachkraft weiterbilden lassen will, weiß Senay Gebregiyorgis noch nicht. Vorerst konzentriert er sich darauf, die Ausbildung abzuschließen und dann eine Stelle zu finden: "Ich will mich selbst versorgen können. Das will doch jeder."