Es dauert keinen Monat mehr, dann werden im russischen Sotschi die Olympischen Winterspiele eröffnet. Doch Präsident Putins Prestigeprojekt sorgt zumindest in den westlichen Ländern vor allem für negative Schlagzeilen. Nicht nur, weil die subtropische Stadt am Schwarzen Meer alles andere als geeignet erscheint für winterliche Sportarten. In den letzten Wochen häufen sich Berichte, die Menschenrechtsverletzungen anprangern: Tausende ausländische Arbeitskräfte sollen beim Bau der Spielstätten erst ausgebeutet und dann abgeschoben worden sein. Löhne wurden gar nicht oder nur teilweise gezahlt. Aus Protest nähte sich einer der Arbeiter den Mund zu.
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Sechs Gäste hatte die Redaktion von Reinhold Beckmann geladen, um über das Thema "Olympia in Sotschi – Putins Spiele zwischen Terrorgefahr und Homophobie" zu diskutieren. Sollten Politiker und Sportler angesichts der Menschenrechtsverletzungen und der zunehmenden Homophobie im Land, die zu einer gnadenlosen Hetzjagd auf Schwule und Lesben führt, die Spiele boykottieren? Der Grünen-Politiker Volker Beck, der sich bereits mehrfach kritisch zu den Spielen in Russland geäußert hat, sagte, dass Sportler auch ohne einen Boykott Zeichen setzen könnten – etwa indem sie Menschenrechtler treffen oder sich durch Gesten und Symbole mit Homosexuellen solidarisieren.
Ruck: "Russland fehlt es an Aufklärung"
Der frühere Skilangläufer und Olympia-Silbermedaillengewinner Peter Schlickenrieder schraubte die Erwartungen jedoch gleich zurück. Sportler hätten nur alle vier bis acht Jahre die Möglichkeit, so ins Rampenlicht zu treten wie bei den Olympischen Spielen. Sie stünden unter großer Anspannung. Dann auch noch politische Gesten zu erwarten, sei zu viel verlangt.
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Julius Brink, Olympiasieger in Beachvolleyball, sieht das ähnlich – obwohl er gerade an einer Kampagne gegen Homophobie teilgenommen hat: Sportler reisten zu den Olympischen Spielen, um ihren Job zu machen, nicht um Zeichen gegen Rassismus oder Homophobie zu setzen, sagte Brink.
Braucht es also doch die große Politikergeste? Die Moskauer ARD-Korrespondentin Ina Ruck glaubt nicht daran, dass ein Boykott viel verändern würde: "Die breite Masse bekommt gar nicht mit, dass jemand Probleme mit dem Olympischen Spielen in Russland hat." Niemand nehme wahr, ob Bundespräsident Joachim Gauck zu den Spielen fährt oder nicht. Hinzu komme, dass viele in Russland die westliche Kritik kaum nachvollziehen können – sofern sie sie überhaupt mitbekommen. In Russland fehle es an sexueller Aufklärung, sagte die Journalistin. Dort existiere immer noch der Glaube, dass Homosexualität ansteckend sei. Deshalb sei es wichtig, das zum Thema zu machen.
Anschuldigungen gegen IOC
Nicht nur die offene Homophobie in Russland sei ein Problem, sagte Volker Beck. Wer über "Fair Play" spreche, müsse auch die Menschenrechte im Blick haben. Beck verwies auf die Arbeitsbedingungen der Menschen, die in Sotschi für einen Hungerlohn Sportanlagen bauten. Das sei nicht nur die Schuld Russlands, sondern auch des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), sagte Beck. "Einmal kann das schiefgehen", sagte er und verwies auf Menschenrechtsverletzungen bei den Sommerspielen 2008 in Peking, "aber wenn man keine Konsequenzen für die nächsten Verträge zieht, muss man Fahrlässigkeit annehmen."
Kritisch sei schon die Vergabe der Spiele an Sotschi gewesen, sagte der Journalist Thomas Kistner. Er kritisierte, dass der Sport autonom organisiert sei und große Verbände wie IOC oder die Fifa Korruptionsfälle intern aufklärten.
Nach diesen großen Themenbereichen leitete Beckmann mit einem Einspielfilm zum nächsten Thema über: DieTerrorgefahr in Russland. Kurz vorm Jahreswechsel zeigte sie sich wieder in Wolgograd. Putin versuche, Sotschi wie eine Festung zu bewachen, sagte Ina Ruck. Aber er könne niemals das ganze Land schützen und es gebe noch andere symbolträchtige Anschlagsziele – etwa in Moskau oder Sankt Petersburg.
In den letzten zwei Minuten der über einstündigen Sendung ging es dann noch um die Umweltzerstörung, die durch die Bauarbeiten in Sotschi entstehen. Spätestens hier zeigte sich, dass die Sendung mit Themen überfrachtet war. Jeder einzelne Aspekt hätte die Sendezeit füllen können. Vieles kam dadurch zu kurz. Dass die Sendung trotzdem im großen und ganzen sehenswert war, lag vor allen an den hochkompetenten Gästen.