Foto: dpa/Khaled Elfiqi
Der Aktivist Albert Saber setzt sich für koptische Christen in Ägypten ein. Während er 2012 in Kairo wegen Religionsbeleidigung vor Gericht steht, zeigt er das Siegeszeichen.
Mehr Rechte für Ägyptens Christen
Die Ägypter stimmen am Dienstag und Mittwoch über eine neue Verfassung ab. Sie gewährt Experten zufolge mehr Freiheiten und Rechte, ist aber dennoch umstritten.
13.01.2014
epd
Julia Gerlach

Ägypten bekommt - wieder - eine neue Verfassung. Seit dem Sturz von Hosni Mubarak 2011 ist es bereits das dritte Verfassungsreferendum. "Damit bricht eine neue Zeit an: Eine Zeit der Freiheit und der Rechte, das wird jeder bemerken, der das Dokument liest. Es ist in einer neuen Sprache verfasst", verspricht Amr Moussa. Der ehemalige Chef der Arabischen Liga und Präsidentschaftskandidat von 2012 hatte als Vorsitzender die Verhandlungen der verfassungsgebenden Versammlung geleitet. Tatsächlich geht die Verfassung in ihrem Kapitel über Grundrechte weit über das hinaus, was bisher in Ägypten üblich war. Das gilt insbesondere für Christen.

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So steht zwar in Artikel zwei der Verfassung, dass der Islam die Religion des Staates und die islamische Scharia die Grundlage der Gesetzgebung sein soll. Zugleich wird aber Juden und Christen garantiert, dass sie ihre inneren Angelegenheiten gemäß ihrer eigenen Regeln selbst bestimmen können. Zudem wird die Regierung aufgefordert, bei den bevorstehenden Parlamentswahlen dafür zu sorgen, dass es mehr Christen unter den Abgeordneten gibt.

Vom künftigen Parlament wird wiederum erwartet, dass der Bau von Kirchen gesetzlich geregelt wird. Dies ist eine alte Forderung ägyptischer Christen. Bisher ist es sehr schwierig, legal christliche Gotteshäuser zu errichten. Um den illegalen Bau von Kirchen gab es immer wieder heftige Konflikte mit den muslimischen Anwohnern. 

Kopten erlauben keine Scheidung

"Es gibt in dieser Verfassung sehr viel mehr Rechte für Christen als in den vorherigen Grundgesetzen", sagt Yosra el-Gendi, Wissenschaftlerin des "Arab West-Report", einer Initiative, die sich besonders um das Zusammenleben der Religionen in Ägypten bemüht. Allerdings gebe es auch Punkte, die kritisch anzumerken seien: "Viele Christen kritisieren, dass ausschließlich Geistliche die Belange der Christen in der verfassungsgebenden Versammlung vertraten. Natürlich regeln sie die Angelegenheiten in ihrem Sinne", sagt die Wissenschaftlerin. So schließt die Regelung, dass die Kirchen ihre Angelegenheiten selbst bestimmen, Zivilehen aus.

Seit Jahrzehnten gibt es auch unter Christen die Forderung nach einem zivilen Familienrecht; insbesondere weil die koptisch-orthodoxe Kirche Scheidungen ausschließt. "Um die Frage, wie der Anteil der Kopten in der Politik erhöht werden kann, gab es eine lange Diskussion", sagt el-Gendi. Viele Kopten hätten eine Quote gefordert, die Kirche und allen voran Papst Tawadros II. lehne diese jedoch strikt ab. Dahinter steht die Sorge, dass dies Spannungen zwischen Muslimen und Christen weiter schüren könnte.

"Zudem kann man kritisieren, dass das geplante Gesetz zum Bau von Gotteshäusern auf Kirchbau beschränkt sein soll. Schiiten oder Bahai hingegen müssen weiter auf eine solche Regelung warten", sagt die Wissenschaftlerin el-Gendi. Der entsprechende Verfassungsartikel sei ganz offenbar ein Geschenk an die christliche Minderheit am Nil. "Es ist eine Anerkennung dafür, dass sie in den vergangenen Monaten einen sehr hohen Preis für den Neuanfang in Ägypten bezahlt haben", ergänzt die Expertin für Minderheitenfragen.

Mehrheit für die neue Verfassung erwartet

Allein nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi im Juli 2012 gingen mehr als 80 Kirchen in Flammen auf. Christen waren Angriffen durch die Anhänger der Muslimbruderschaft ausgesetzt. Auch unter den ägyptischen Christen gibt es Einwände gegen die neue Verfassung, die allerdings nur sehr verhalten geäußert werden. "Im Vergleich zu der Verfassung, die im vergangenen Jahr unter der Regierung Mursi verabschiedet wurde, sind sie mit dieser neuen sehr zufrieden", sagt el-Gendi. 

Es wird damit gerechnet, dass Ägyptens neues Grundgesetz mit einer großen Mehrheit gebilligt wird. Es gibt allerdings auch Boykottaufrufe - nicht nur von Mursi-Anhängern. Führende Aktivisten der Revolution von 2011 befürworten ebenfalls einen Boykott oder wollen beim Verfassungsvotum mit "Nein" stimmen. Dieses Unbehagen rührt vor allem aus Umständen, unter denen das Dokument erarbeitet wurde.

An der Verfassungsversammlung wurde vor allem bemängelt, dass daran nur zwei Vertreter der islamischen Bewegung vertreten waren. Die Muslimbruderschaft beteiligte sich nicht an den Beratungen. Kritisiert wird überdies, dass in den vergangenen Wochen die Regierung sehr hart gegen die Muslimbrüder und Aktivisten der Revolution auftrat. Viele wurden verhaftet und zu hohen Strafen verurteilt.