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"Die Diskussion muss wohl auch im Südwesten geführt werden"
Wieviel "sexuelle Vielfalt " sollen Schüler in Baden-Württemberg lernen?
Der Plan der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg, dem Thema Homosexualität einen höheren Stellenwert im Unterricht einzuräumen, sorgt weiter für Diskussionsstoff. Während die Badische Landeskirche ihre Position zurechtrückte, mischten sich die Vereinigung "Offene Kirche" und EKD-Synodale Kerstin Griese in die Diskussion ein.

Dir grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg plant, ihre Bildungsleitlinien auf die Akzeptanz sexueller Vielfalt auszurichten. Kritiker wenden sich dagegen, dass dem Thema Homosexualität ein höherer Stellenwert im Unterricht eingeräumt werden soll. Von einer Online-Petition gegen den Bildungsplan hatten sich die Kirchen am Freitag ausdrücklich nicht distanziert.

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Nachdem sich Pfarrerinnen und Pfarrer in den lesbisch-schwulen Konventen Baden und Württemberg und der Landesschülerbeirat schon zugunsten der Bildungsleitlinien geäußert hatten, meldete sich auch die theologisch liberale Vereinigung "Offene Kirche" in Württemberg zu Wort und begrüßte die Akzeptanz sexueller Vielfalt im Bildungsplan. Die evangelische Vereinigung teilte am Samstagabend in Stuttgart mit, Sexualkundeunterricht müsse aufklären und dazu gehöre auch, sexuelle Vielfalt wahrzunehmen und zu thematisieren. Die "Offene Kirche" sei "bestürzt über kirchliche Äußerungen, die dies nicht in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen".

Die SPD-Politikerin Kerstin Griese sagte, als engagierte Protestantin sei ihr die Kritik der Kirchen in Baden-Württemberg "rätselhaft" und "peinlich". Die Diskussion unterstreiche die Bedeutung der von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vorgelegten "Orientierungshilfe Familie", in der homosexuelle Lebensgemeinschaften gewürdigt werden, sagte die Bundestagsabgeordnete, die der EKD-Synode angehört. "Diese Diskussion muss wohl auch dringend im Südwesten unseres Landes geführt werden."

Badischer Oberkirchenrat lehnt die Petition ab

In einem Interview auf der Website der Evangelischen Landeskirche in Baden äußert sich der badische Oberkirchenrat Christoph Schneider-Harpprecht zu der Diskussion. Für ihn greifen die Leitprinzipien im baden-württembergischen Bildungsplan zu kurz, sie seien nur "fächerübergreifende Themen". Schneider-Harpprecht sagte: "Leitprinzipien sind jedoch mehr! Sie sollen das in der Landesverfassung zum Ausdruck kommende christliche Menschenbild zugrunde legen." Trotzdem dürfe die Kritik der Kirchen am Bildungsplan nicht als indirekte Unterstützung der Online-Petition gewertet werden. "Ich lehne diese Petition ab, weil sie einseitig ideologisch ist, Ängste schürt und Informationen über Homosexualität verzerrt", sagte der Oberkirchenrat und ergänzte, zum Schulunterricht gehöre "die Information über Homosexualität als normale sexuelle Orientierung".

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Der ehemalige Fußball-Profi Thomas Hitzlsperger, der mit seinem Coming-Out in der vergangenen Woche eine bundesweite Debatte über Homosexualität ausgelöst hatte, sagte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zu der Diskussion in Baden-Württemberg: "Jeder Heranwachsende sollte die Unterstützung erhalten, die er benötigt, um sich seiner eigenen sexuellen Orientierung gewiss zu werden."

Kritisch äußerte sich der Philologenverband, weil in einem internen Papier des Kultusressorts als Leitlinien für den Bildungsplan 2015 unter anderem berufliche Orientierung, nachhaltige Entwicklung, Medienbildung vorgesehen sind. Diese Bereiche sollen auch unter dem Aspekt sexueller Toleranz gesehen werden. Diese Ausschließlichkeit hält der Chef des Landes-Philologenverbandes, Bernd Saur, für unglücklich. Toleranz könne auch anhand von Kriterien wie Religion, Herkunft oder Hautfarbe durchgespielt werden.

Eine im November 2013 gestartete Online-Petition gegen den Bildungsplan wurde bis Sonntagabend von mehr als 109.000 Menschen unterzeichnet. Unterdessen wächst die Zahl der Befürworter: Eine Gegenpetition, die vor fünf Tagen gestartet wurde, hat bislang mehr als 51.000 Unterstützer gefunden.