Hans Küng
Foto: dpa/Daniel Bockwoldt
Hans Küng
Hans Küng und der "richtige" Zeitpunkt zum Sterben
"Ethisch unvertretbar" - so werten die Kirchen die aktive Sterbehilfe. Der katholische Theologe Hans Küng will dennoch das Ende seines Lebens "eigenständig" bestimmen.
11.01.2014
epd
Norbert Demuth

Hans Küng ist einer der bekanntesten katholischen Theologen der Welt - und wohl auch der streitbarste. Das kirchliche Lehramt war dem langjährigen Papstkritiker mehrfach Anlass zu scharfer Kritik. Doch mit seiner wiederholten Ankündigung, möglicherweise aktive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, setzt sich der an Parkinson leidende 85-Jährige nicht nur in Widerspruch zur katholischen, sondern auch zur evangelischen Kirche. Doch Küng selbst ficht das nicht an, wie er jetzt dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Er maße sich nichts an, wolle aber seine Entscheidung "eigenständig" treffen, betonte der emeritierte Tübinger Theologieprofessor.

Die beiden großen christlichen Kirchen hatten bereits 2003 in einer gemeinsamen Erklärung unverrückbar ihre Auffassung festgeschrieben: "Aktive Sterbehilfe ist und bleibt eine ethisch nicht vertretbare, gezielte Tötung eines Menschen in seiner letzten Lebensphase, auch wenn sie auf seinen ausdrücklichen, verzweifelten Wunsch hin erfolgt."

"Eigenständig" im Sinne der Selbstbestimmung

Und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) erklärte zuletzt im November 2012 in der Debatte über die Beihilfe zur Selbsttötung: "Aus christlicher Perspektive ist die Selbsttötung eines Menschen grundsätzlich abzulehnen, weil das Leben als eine Gabe verstanden wird, über die wir nicht eigenmächtig verfügen sollen." Allerdings könnten Menschen in einer extremen Not- und Ausnahmesituation zu einer anderen Entscheidung kommen. Ein moralisches Urteil darüber stehe niemandem zu.

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Küng argumentiert dagegen allgemeiner: Das Leben sei zwar eine Gabe Gottes. Aber Gott habe das Leben in die verantwortliche Verfügung des Menschen gegeben. Das gelte auch für die letzte Etappe des Lebens, das Sterben. Dabei handele es sich "nicht um ein eigenmächtiges Vorgehen" des Menschen, sagte Küng dem epd. "Denn 'eigenmächtig' hieße ja unberechtigt und unbefugt, auf eigene Faust, angemaßt." Küng sagte, er würde stattdessen von "eigenständig" reden, und zwar im Sinne der sittlichen Autonomie - also Selbstbestimmung - des Menschen.

Doch ist für Christen nicht Gott der "Herr des Lebens"? Darf der Mensch den Todeszeitpunkt selbst bestimmen? In einem EKD-Synoden-Text von 2003 heißt es, die Situation des Wartens auf den Tod müsse gewahrt bleiben und "darf nicht durch das eigenmächtige Verfügen über den Todeszeitpunkt ersetzt werden". Durch die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe würde ein solches Verfügungsrecht in der Gesellschaft etabliert. Damit entstünde auch der "verdeckte Anspruch an Sterbende", von diesem Recht Gebrauch zu machen, sobald sie den Eindruck bekommen, ihrer Umgebung zur Last zu fallen.

"Gott gibt mir kein Zeichen vom Himmel"

In der bis heute gültigen Orientierungshilfe "Wenn Menschen sterben wollen" des EKD-Rates von 2008 heißt es zudem: Die Tötung auf Verlangen, die auch als "aktive Sterbehilfe" bezeichnet werde, sei "auch bei einem todkranken Menschen ethisch nicht zu vertreten". Immer komme es vielmehr darauf an, Sterbende zu trösten, ihr Leiden zu lindern und ihnen die Gewissheit zuzusprechen, dass ihr Leben von Gott gewollt und gesegnet sei.

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Küng will nach eigenen Worten "zu gegebener Zeit, die ich selber in meinem Gewissen zu erkennen hoffe", Abschied vom irdischen Leben nehmen. Doch wann ist der rechte Zeitpunkt zum Sterben? "Gott gibt mir 85-Jährigem dafür kein direktes Zeichen vom Himmel", sagte Küng in einer öffentlich bislang wenig beachteten Rede im November 2013 vor der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) in Bonn. Und er fuhr fort: "Aber Gott schenkt mir, so hoffe ich, die Gnade, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen; der späteste wäre für mich zweifellos eine beginnende Demenz."