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TV-Tipp des Tages: "Polizeiruf 110: Liebeswahn" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Polizeiruf 110: Liebeswahn", 12. Januar, 20.15 Uhr im Ersten
Als ein grausam zugerichteter Mann an seinen Verletzungen verblutet, sucht das Rostocker Ermittler-Duo den Täter zunächst in den Kreisen des organisierten Verbrechens: Dem Opfer wurde die Zunge entfernt, ganz so, als solle er für einen Verrat bestraft werden.

Der Verdacht würde ins Bild der Krimis mit Sascha Bukow (Charly Hübner) und Katrin König (Anneke Kim Sarnau) passen, schließlich ging es zum Auftakt der Reihe mehrere Folgen lang um die serbische Mafia. Doch alsbald zeigt sich, dass eine andere Spur wesentlich ergiebiger ist. Sie führt in ein reichlich bizarres Milieu, in dem sich die Menschen freiwillig Schmerzen zufügen lassen. Anscheinend ist ein Sadist zu weit gegangen; aber die Wahrheit ist viel komplizierter.

Nicht bloß eine Mördersuche

Der besondere Reiz der "Polizeiruf"-Krimis aus Rostock lag von Anfang an in der organischen Verknüpfung der Ermittlungen mit den Persönlichkeiten der Ermittler. Bukow und König hatten nicht einfach bloß ein Privatleben, das nebenbei abgehandelt wurde, sie waren stets auch betroffen: Bukow, weil er sich gezwungenermaßen auf einen Deal mit der Mafia einlassen musste, König, weil einige Fälle eine alte Wunde aufrissen. Beide Kapitel scheinen zwar abgeschlossen, aber trotzdem ist auch "Liebeswahn" nicht einfach bloß eine Mördersuche: weil der Täter in Bukows Privatleben eindringt.

Kein Wunder, dass Thomas Stiller (Buch und Regie) die Geschichte mehr und mehr als Thriller inszeniert; am Ende geht es nicht mehr nur um die Lösung des Falls, sondern ums nackte Überleben. Stiller ("12 Winter", "Sie hat es verdient") versteht es ohnehin, seinen Filmen eine ganz eigene Form von Spannung zu geben. Diesmal arbeitet er zudem mit Versatzstücken, die sonst vor allem in Horrorfilmen zum Einsatz kommen; gerade das Zusammenspiel aus Bildgestaltung und Musik sorgt immer wieder dafür, dass "Liebeswahn" ziemlich unter die Haut geht. Die Kamera (Marc Liesendahl) ist ganz nah an den Figuren. Der Film setzt ohnehin in vielerlei Hinsicht auf Extreme. Das gilt auch für Moral: Während Bukows Sohn Atemprobleme hat und auf dem Weg ins Krankenhaus fast an einem Asthmaanfall erstickt, vergnügt sich Gattin Vivian (Fanny Staffa) mit Bukows Freund (Josef Heynert) in einem Hotelzimmer. Dann schlägt die Stimmung um, weil der Kommissar in der Notaufnahme eine hübsche hilfsbereite Ärztin (Alma Leiberg) kennen lernt; der großartige Charly Hübner bekommt auf diese Weise Gelegenheit, eine weitere Facette der vielschichtigen Figur auszuspielen. Schließlich überschlagen sich die Ereignisse, unter anderem wird König beim Joggen lebensgefährlich verletzt; und die Ermittler tappen völlig im Dunkeln.

Für den Geschmack mancher Zuschauer dürfte es ein bisschen zu oft um abseitige Sexualpraktiken gehen, aber der Film ist ohnehin nichts für zartbesaitete Seelen; spätestens das dramatische Hochspannungsfinale zerrt an den Nerven, und daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Stiller die überraschende Identität des Täter kurz zuvor preisgegeben hat. Die Bildgestaltung ist dafür umso kunstvoller und sorgfältiger, und das keineswegs bloß in den schockierenden Momenten; der Überfall auf König zum Beispiel so gefilmt, dass der Täter unter seiner Kapuze wie ein Mensch ohne Geicht wirkt. Auch den Dialogszenen ist anzumerken, dass die Beteiligten nach ungewohnten Wegen gesucht haben, ein Prädikat, das für den gesamten Film gilt.