Im Garten des neuen Hauptquartiers der südsudanesischen Regierungspartei SPLM drängten sich Hunderte. Am 6. Dezember 2013 kam hier in der Hauptstadt Juba zusammen, wer vor einigen Monaten noch zur politischen Elite des jungen Staates gehört hatte. Jetzt werfen sie Präsident Salva Kiir vor, alle Macht an sich reißen zu wollen. Der entlassene Vizepräsident Riek Machar spricht von diktatorischen Tendenzen, von Korruption und Stammesdenken: "Wir fordern eine Sitzung des Politbüros, um den Kurs der Partei zu korrigieren."
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Rund eine Woche später schlägt Präsident Kiir zurück.13 Redner und mutmaßliche Unterstützer werden verhaftet. Der Vorwurf: ein versuchter Putsch. Machar war da schon auf der Flucht. Am 15. Dezember wird in Juba zum ersten Mal geschossen: vermutlich eine Meuterei innerhalb der Präsidialgarde, der einzigen Armee-Einheit, die in der Stadt stationiert ist. Die Fraktion, die aufseiten Machers steht, wird von Kiirs Leuten überwältigt. Kiirs Männer, das sind vor allem Dinka, Angehörige der größten Ethnie im Land. Machars Anhänger sind Nuer wie er, aber auch Mitglieder anderer Ethnien, die sich benachteiligt fühlen. Und davon gibt es im Südsudan genügend.
Demokratie ist nicht in Sicht
Am 9. Juli 2011 wurde der Südsudan vom Sudan formal unabhängig, nachdem er seit Jahren bereits faktisch autonom war. Die Südsudanesen feierten ausgelassen. Sie hatten mehr als 20 Jahre Bürgerkrieg gegen die islamistische Regierung des Sudan hinter sich. Jetzt hofften die Menschen auf eine Friedensdividende. Doch vergeblich. Seit fast einem Monat wird im Südsudan wieder Krieg geführt: Diesmal kämpft der regierungstreue Teil der ehemaligen Befreiungsarmee gegen desertierte Einheiten und Rebellengruppen, die sich auf Machars Seite gestellt haben. Sie fordern Kiirs Rücktritt.
Zu Recht, glaubt ein Ostafrika-Experte, der aus Angst vor Verfolgung nicht genannt werden möchte. "Der Südsudan hat sich im Lauf des letzten Jahres zu einem regelrechten Überwachungsstaat entwickelt", sagt er. "Man musste konspirative Orte ausmachen, um Bürgerrechtler zu treffen, und aufpassen, dass man nicht verfolgt oder abgehört wurde." Die Atmosphäre sei so bedrückend gewesen wie in den Kriegsjahren vor der Abspaltung vom Sudan: "Es kann nicht sein, dass ein Mann Partei, Regierung und Armee an sich reißt und niemand etwas tut."
Dass Machar der Retter in der Not ist, der das Land zur wahren Demokratie führt, glaubt kaum jemand im Südsudan. Er bewies immer wieder, dass er ein skrupelloser Politiker ist. So wechselte er im Unabhängigkeitskrieg gegen den Sudan 1991 die Seiten. Damals massakrierte die "Weiße Armee", eine gefürchtete Nuer-Miliz, mehr als 2.000 Dinka in der Stadt Bor. Dass die Weiße Armee Bor derzeit wieder erobert hat, führte zu einer Massenpanik. Tausende Dinka verschanzen sich zurzeit auf dem Gelände der Vereinten Nationen, wo die Notvorräte ausgehen.
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Damals hatte Machar die Weiße Armee unter seinem Befehl. Ob dies heute auch so ist, ist unklar. Kenner des Landes befürchten, dass Machar mit seiner Rebellion etwas angestoßen hat, das er nicht mehr kontrollieren kann. Zwar verhandeln Regierung und Rebellen in Äthiopien über einen Waffenstillstand. Doch für welche Gruppen Machar wirklich sprechen kann, weiß niemand. Weil Millionen Dollars in den Taschen von Politikern verschwanden und die Gebiete jenseits von Juba bis heute zu den am schwächsten entwickelten der Welt gehören, haben Rebellengruppen schon lange Zulauf.
Drei Millionen Kalaschnikows
Drei Millionen Kalaschnikows im Land können den Krieg noch lange am Laufen halten. Rechnerisch besitzt jeder dritte Südsudanese, Säuglinge und Greise eingeschlossen, eine Waffe. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht, und die Zahl der Toten dürfte schon lange über die offizielle Zahl von 1.000 gestiegen sein.
Hoffnung auf Frieden, sagt Marina Peter, gebe es vor allem, wenn die Bevölkerung in dieser Stunde der Not aktiv werde. "Wenn sich Kirchen und andere zivilgesellschaftliche Gruppen zusammenschließen, dann können sie es schaffen, dass die Waffen niedergelegt werden." Peter kennt den Südsudan seit Jahrzehnten. Die Leiterin des von Kirchen unterstützten "Sudan and South Sudan Focal Point" ist sich sicher: "Die große Mehrheit der Südsudanesen will keinen Krieg."