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Jenseits des ANC - Südafrikas Parteien im Wandel
Mit dem Tod Nelson Mandelas hat der Afrikanische Nationalkongress seine letzte große Symbolfigur aus dem Befreiungskampf verloren. Vor der Wahl im Frühjahr wächst die Kritik am ANC, der Südafrika seit 20 Jahren regiert. Neue Parteien machen ihm Konkurrenz.
07.01.2014
epd
Leonie March

Südafrikas Parteienlandschaft steht vor einem Umbruch. Im vergangenen Jahr wurden mindestens 19 neue Parteien gegründet, die meisten aus Frust, Enttäuschung und Ärger über den regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC). Zwar rechnet niemand damit, dass der ANC die Parlamentswahl im kommenden Frühjahr verlieren wird, aber die Partei könnte erstmals weniger als 60 Prozent der Stimmen erhalten. Das wäre ausgerechnet zum 20. Jahrestag der ersten demokratischen Wahlen Ende April eine herbe Enttäuschung.

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Der ANC regiert Südafrika seit 1994 mit einer komfortablen Mehrheit von zuletzt fast 66 Prozent. Doch mit Nelson Mandela starb im Dezember die letzte große Symbolfigur der ehemaligen Anti-Apartheid-Bewegung. Bereits in den vergangenen Jahren nahm die Kritik zu, auch aus den eigenen Reihen. Von den Gründern neuer Parteien kommen viele aus dem ANC. Sie prangern vor allem die ausufernde Korruption, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und die unverändert hohe Arbeitslosigkeit an.

Instabiles Parteienbündnis

Einer aktuellen Umfrage zufolge ist nur noch ein Drittel der jungen Südafrikaner mit Präsident Jacob Zuma zufrieden. Die Anzahl der Streiks und Proteste erreichte im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand. Seit der blutigen Niederschlagung des Bergarbeiterstreiks von Marikana im August 2012 wird auch der Ton vonseiten der Gewerkschaften schärfer. Das historische Bündnis des ANC mit dem Gewerkschaftsbund COSATU und der Kommunistischen Partei ist brüchig. Im Dezember forderte die mitgliederstarke Metallarbeitergewerkschaft NUMSA Zuma zum Rücktritt auf und drohte dem ANC bei den kommenden Wahlen erstmals mit dem Entzug ihrer Unterstützung.

EFF-Unterstützer singen Slogans ihrer Partei und zeigen ihre Unterstützung für den Parteigründer Julius Malema.

Größte Oppositionspartei ist bislang die "Demokratische Allianz", die 2009 landesweit knapp 17 Prozent der Stimmen und die Mehrheit in der Westkap-Provinz um Kapstadt errang. Sie emanzipiert sich zunehmend vom Image einer Partei der Weißen, die etwa neun Prozent der Bevölkerung stellen. Die ANC-Abspaltung "Kongress des Volkes" (COPE), die 2009 mit sieben Prozent noch hoffungsvoll gestartet war, versank mittlerweile angesichts interner Führungskämpfe in der Bedeutungslosigkeit.

Als aussichtsreichster Kandidat unter den neuen Parteien gelten die "Ökonomischen Freiheitskämpfer" (EFF) unter dem ehemaligen Präsidenten der ANC-Jugendliga, Julius Malema. Er selbst bezeichnet den politischen Kurs als "linksradikal, anti-kapitalistisch und anti-imperialistisch". Kernforderungen sind die Enteignung von Landbesitz ohne Entschädigung und die Verstaatlichung des Bergbaus. Mit seinen populistischen Parolen spricht Malema vor allem arbeits- und perspektivlose junge Leute an.

Viele junge Nichtwähler

Im Gegensatz zur älteren Generation verbindet die Jugend keine historische Loyalität zum ANC als Freiheitsbewegung. Allerdings ließen sich bis November erst weniger als ein Viertel der 18- bis 19-Jährigen und nur rund die Hälfte der 20- bis 29-Jährigen für die Wahl registrieren, wie die Wahlkommission bekanntgab. Wenn es der EFF gelänge, diese jungen Nichtwähler zu mobilisieren, könnte sie bis zu zehn Prozent der Stimmen gewinnen, prognostiziert der Politikwissenschaftler Sabelo Ngwenya. Dass Malema sich wegen Korruption und Steuerhinterziehung verantworten muss, spiele dabei nur eine untergeordnete Rolle.

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Gewisse Chancen werden auch der liberalen Partei "Agang SA" unter Führung der ehemaligen Weltbank-Direktorin Mamphela Ramphele eingeräumt. Älteren Südafrikanern ist sie als Partnerin des 1977 ermordeten schwarzen Bürgerrechtlers Steve Biko noch ein Begriff. In ihrer Rede zur Parteigründung kritisierte Ramphele die Versäumnisse des ANC scharf und rief die Südafrikaner dazu auf: "Lasst uns das Land unserer Träume aufbauen." Angesichts der programmatischen Nähe wird bereits über ein Bündnis mit der "Demokratischen Allianz" spekuliert.

Zu den Unterstützern von "Agang SA" gehören vor allem Intellektuelle und Geschäftsleute der schwarzen Mittelklasse. Auch der ehemalige anglikanische Erzbischof Desmond Tutu begrüßte die Parteigründung ausdrücklich. Er würdigte Ramphele als mutig, prinzipientreu und als Verfechterin sozialer Gerechtigkeit. Angesichts vieler Ideale des Freiheitskampfes, die auf dem "Altar der Macht und des Reichtums" geopfert worden seien, brauche Südafrika eine stärkere politische Opposition, sagt Tutu.