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Robert Navaratnam an der Orgel - er hatte kürzlich sein 35. Jahresjubiläum für seinen Dienst bei der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Singapur. Foto: Michael Lenz
Der Organist von Singapur: scharfes Curry zur stillen Nacht
"Der Nuntius aus Bangkok wollte mal eine Orgel und fragte mich: 'Wie lange hält denn so eine Orgel?' Ich antwortete: 'Länger als Sie.' Da hat er gelacht." Robert Navaratnam hat einen schelmischen Humor. Der Organist aus Singapur ist immer zu einem Späßchen aufgelegt, ohne aber selbst darüber zu lachen. Nur ein kleines Blitzen in den Augen, ein angedeutetes Lächeln verraten seine gelassen-heitere, manchmal auch etwas spöttische Sicht des Lebens.

So hat Navaratnam auch die Ehrung zu seinem 35. Dienstjubiläum als Organist der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde in Singapur hingenommen: als unvermeidbaren Pflichttermin, als verdiente Anerkennung, aber auch als ein Event, über dessen immer gleichen Rituale – Reden, Blumen, Geschenk, Applaus – er sich still amüsiert. Als es vorbei ist, setzt er sich wieder an seine Orgel, verschwindet hinter dem Ungetüm am Rand der kleinen Kapelle in der Orchard Road, spielt die Lieder, die Pfarrerin Lidia Rabenstein ausgesucht hat.

Weihnachtlich geschmückt ist in diesen Tagen die Orchard Road, die Hauptgeschäftsstraße Singapurs.

"Seit 38 Jahren feiern wir jeden Sonntagnachmittag Gottesdienst in der Kapelle der Orchard Road Presbyterian Church (ORPC) am Beginn der Hauptgeschäftsstraße Singapurs. Unser Organist ist fast ebenso lange dabei und hat aus Sehnsucht nach Deutschland die Glocken vor der Kapelle gestiftet", erzählt Rabenstein. Navaratnam ist ein selbstbewusster Mann, der sein Licht nie unter den Scheffel stellen würde, aber genauso wenig sich mit fremden Federn schmücken würde. Also korrigiert er die Glockenanekdote seiner Chefin. "Die Glocken hat auf meine Anregung eine Dame gespendet." Das sagt der Nachfahre von Einwanderern aus Sri Lanka, dem ehemaligen Ceylon, auf Deutsch, eine Sprache, die während seiner Ausbildung zum Orgelbauer in Hannover sprechen und lieben gelernt hat. Zu seinen besten Erinnerungen an die drei Jahre in Hannover zählt die deutsche Art Weihnachten zu feiern. "Ich mag die deutsche Weihnacht sehr." Aber dazu später mehr.

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Kaum ist der Gottesdienst vorbei, verschwindet Navaratnam still und leise, meidet das Beisammensein der Gemeinde bei Saft und selbstgebackenem Kuchen, auch an seinem Ehrentag. Gesellschaftliches ist nicht sein Ding. Er ist gerne für sich, aber er hat auch eine Menge Arbeit. Der Methodist orgelt nicht nur bei der deutschen, der englischen, indonesischen und chinesischen Gemeinde unter dem Dach der ORPC, sondern auch in der nur ein paar hundert Meter entfernten katholischen Kathedrale Guter Hirte. Die Geräte in beiden Kirchen sind etwas ganz besonderes, nämlich Pfeifenorgeln, von denen es in ganz Singapur nur fünf oder sechs gibt. Bis zum Einbau des Instruments des Bonner Orgelbauers Klais in der Victoria Concert Hall im Jahr 1988 und der noch größeren Klais-Orgel im Kulturzentrum The Esplanade im Jahr 2003 besaß die ORPC übrigens die größte bespielbare Pfeifenorgel Singapurs.

Orgelbauen lernte Navaratnam in Hannover

Navaratnam ist Organist und im Hauptberuf Orgelbauer. Ersteres hat sich mehr oder weniger selbst beigebracht. Letzteres lernte er mit der Unterstützung der evangelischen Gemeinde Singapur und des Diakonischen Werkes von der Pike auf in Hannover. Allerdings baut er keine Orgeln, wartet sie aber. "Ich habe hier keine Werkstatt und keine Mitarbeiter", sagt Navaratnam bedauernd. Nach Taiping in Malaysia wurde er schon zur Restaurierung einer Orgel gerufen wie auch ins indische Mumbai. "Die tropische Hitze, aber auch Ratten und Termiten setzen die Orgeln sehr zu", sagt Navaratnam. Das Instrument in der protestantischen Kirche ist allerdings dank der Klimaanlage der Kirche gut in Schuss.

Die Orgel der katholischen Kathedrale muss von Grund auf überholt werden. Das passiert weit entfernt in Manila. In Singapur fehlen dazu die Möglichkeiten und außerdem sagt Navaratnam verschmitzt: "Ich kann die auseinandernehmen. Aber ich bin über 60. Wenn ich eines Morgens nicht mehr aufwache, liegt die Einzelteile der Orgel rum und keiner kann sie mehr zusammensetzen."

Eine Werkstatt hat Navaratnam schon. Die ist aber winzig, versteckt hinter den Orgelpfeifen in der evangelischen Kapelle. Der Weg über Balken, zwischen Orgelapparat und Regalen ist sehr eng. Am Ende dann die Werkstatt mit einer von einer Firma in Garbsen gespendeten Bandsäge. Hier repariert Navaratnam gewöhnlich Orgelteile, widmet sich aber auch hingebungsvoll anderen handwerklichen Tätigkeiten. Schon in der Kirche weist er immer wieder auf Gegenstände und sagt: "Hier, dieses Stehlpult habe ich gemacht. Das Taufbecken auch."

Organist Robert Navaratnam und Pfarrerin Lidia Rabenstein.

Zur Weihnachtszeit entsteht in der Werkstatt die ganze Weihnachtsdekoration für die Kirche. Kerzenbögen aus Holz, eine Krippe, Kerzenständer. "Die drei Tannenbäume vor der Kirche habe ich gepflanzt", sagt Navaratnam stolz. Auch wenn es keine Tannenbäume sind, sondern eine einheimische Baumart, die aber sehr nach Tannenbaum aussieht. Er hat so manche Weihnachtstradition aus Deutschland nach Singapur gebracht. "Durch mich ist der Adventskranz in die katholische Kathedrale gekommen. Die kannten das gar nicht. Den ersten Kranz habe ich aus künstlichem Tannengrün selbst gemacht."

Ein wenig besser gefällt ihm Weihnachten bei den Katholiken. "Bei den Protestanten nach dem ersten Weihnachtstag alles vorbei. Bei den Katholiken gibt es noch bis zum Dreikönigstag Lichter, Kerzen und die schönen Lieder." Bei den Liedern hat Navaratnam auch einen Hang zu Deutschem. "Es gibt eine größere Auswahl an Weihnachtsliedern als in der englischen Tradition", findet der Weihnachtsfan. Dem unbändigen Weihnachtsrummel im mehrheitlich buddhistischen und taoistischen Singapur mit seinen mit Glitzergirlanden, gigantischen Plastikweihnachtsbäumen, Pseudolebkuchenhäuschen und falschem Schnee üppig ausstaffierten Straßen und Shopping Malls kann der schnauzbärtige ethnische Inder gar nichts anfangen. "Das ist doch alles nur Kommerz."

Weihnachten ist natürlich für einen Kirchenmusiker Hochsaison. Bei vielen Gottesdiensten ist zu spielen, bevor der Junggeselle endlich selbst Weihnachten feiern kann. Natürlich mit seiner ceylonesischen Großfamilie aus Geschwistern, Cousins und weiterer Verwandtschaft. Das Weihnachtsessen ist eine multikulturelle Angelegenheit: "Es gibt typischen Weihnachstschinken oder auch Truthahn", freut sich Navaratnam. "Aber es kommen auch indische Currys auf den Tisch."