Foto: epd-bild / Marko Priske
Die Kanzel in der Martin-Luther-Gedächtniskirche im Berliner Stadtteil Mariendorf. Das Relief zeigt Jesus umringt von einer "deutschen Familie", daneben ein Soldat mit Stahlhelm und ein SA-Mann in Stiefeln.
Der Johannesadler wirkt wie der Reichsadler
Fachleute forschen über Kirchenbau im Nationalsozialismus
Die Berliner Kunsthistorikerin Beate Rossié forscht gemeinsam mit Stefanie Endlich und Monica Geyler-von Bernus seit Jahren über den Kirchenbau im NS-Staat. Ab 1933 gab es zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit einen staatlich geförderten Bauboom. Davon profitierten gerade auch die evangelischen und katholischen Gemeinden.

Allein in der Reichshauptstadt Berlin entstanden bis Kriegsende 55 neue Sakralbauten. Hinzu kamen mindestens 48 Umgestaltungen. Reichsweit hat  Rossié schon jetzt über 600 neue Kirchenbauten gezählt, wahrscheinlich waren es noch mehr. "Goebbels hatte seinen 'Kunst am Bau'-Erlass von 1934 auch an die kirchlichen Stellen gesandt", sagt Beate Rossié.

Auch Bekennende  Kirche erhielt Gelder

Staatliche Subventionen erhielten dabei nicht nur diejenigen Gemeinden, in der die "Deutschen Christen" das Sagen hatten. Für die Rossié ist es ein überraschendes Ergebnis ihrer Forschung, dass etwa auch Gemeinden großzügig unterstützt wurden, die eher der Bekennenden Kirche nahe standen.

###mehr-artikel###

Da ist zum Beispiel die Ernst-Moritz-Arndt-Kirche in Berlin-Zehlendorf, die nicht von den Deutschen Christen dominiert war. Der Gemeinde wurde mit 200.000 Reichsmark zinslosem Darlehen aus dem NS-Arbeitsbeschaffungsprogramm bedacht. Hinzu kamen zwei Stiftungen vom Ministerium für  Wissenschaft, Kunst und Volksbildung für ein Altarbild und einen Taufsockel.

Es gab sogar direkte Zustiftungen aus dem Propagandaministerium von Goebbels, beispielsweise für die Kirchenfenster in der Matthäuskirche in Berlin-Steglitz: Der zwölfjährige Jesus, arisch-blond und blauäugig, predigt vor den hakennasig und finster dreinschauenden jüdischen Schriftgelehrten. Im Krieg wurden die Fenster zerstört, doch es gibt noch historische Aufnahmen. Eine antisemitisch geprägte Kunst am Bau - an der der Pfarrer der Kirche, der dem oppositionellen Pfarrernotbund Martin Niemöllers angehörte, nichts auszusetzen hatte, wie Rossié weiß.

###mehr-links###Der staatlichen Vorgabe nach mehr Kunst am Bau kamen die Kirchen bereitwillig nach. Beliebt waren mittelalterlich anmutende Kirchburgen, die an Wehrkirchen erinnern sollten. Neben christlichen Motiven tauchten völkische wie das Keltenkreuz oder der flammende Altar als Zeichen des Opfers für das Vaterland auf.

Daneben etablierte sich der so genannte Heimatschutz-Stil, in dem althergebrachte Naturstoffe und Fachwerkelemente bevorzugt wurden. Da man so gut wie keine kriegswichtigen Materialien wie Beton oder Stahl benötigte, wurden diese Kleinkirchen bis Kriegsende gebaut, über 200 deutschlandweit.

Hitlerbüsten im Kirchenvorraum

Auch die katholischen Kirchen bauten mit Eifer. Zu sehen ist bis heute etwa die St.-Marien-Kirche in Berlin-Karlshorst, ein Bollwerk aus Bruchsteinmauerwerk. Die mächtige Architektur wird noch unterstützt durch Natursteinpfeiler an der Front mit martialisch anmutenden Evangelistensymbolen. Der Adler, für den Johannes steht, wirkt wie der Reichsadler des Parteitagsgeländes in Nürnberg. "Man sah hier ein Bollwerk gegen Materialismus und Werteverfall, nicht aber gegen den Nationalsozialismus", sagt Rossié.

Christliche und nationalsozialistische Ikonographie verschmolzen beispielsweise auch im Bildprogramm der Martin-Luther-Gedächtnis-Kirche in Berlin-Mariendorf. Im Vorraum begrüßten den Eintretenden Hindenburg- und Hitlerbüsten. SA-Männer, die deutsche Mutter und den Reichsadler kann man bis heute in der Kirche bestaunen.

Nach Verordnung der Alliierten mussten nach 1945 lediglich die Hakenkreuze und andere NS-Staatssymbole aus den Bildkacheln herausgemeisselt werden. Noch heute sind in erstaunlich vielen deutschen Kirchen die Spuren der ideologischen Ausrichtung von einst sichtbar. Erst jetzt aber scheinen Gemeinden, Kirchen und Diözesen allmählich bereit, sich mit ihrer eigenen architektonischen Vergangenheit auseinander zu setzen.

"In der Martin-Luther-Gedächtnis-Kirche hat man einen Zyklus über Auschwitz angeschafft, der bis heute gezeigt wird", berichtet Kunsthistorikerin Rossié. Es gebe die Idee, dort einen Dokumentations- und Lernort einzurichten. "Mich erreichen immer mehr Anfragen von Gemeinden, die auch so eine Kirche haben. Man betrachtet das anders als noch vor Jahrzehnten heute als Herausforderung, sich damit zu beschäftigen."