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Blick auf die Hagia Sophia in Istanbul.
Zwischen Moschee, Museum und Kirche
Streit um die Hagia Sophia
Die Hagia Sophia in Istanbul war einst das Zentrum der Christenheit der Ostkirche. Nach der Erorberung durch die Osmanen wurde die Kirche zur Hauptmoschee, unter Atatürk dann ein Museum. Jetzt plant die türkische Regierung, die Hagia Sophia wieder in eine Moschee umzuwandeln. Das Vorhaben ist umstritten.
13.12.2013
epd
Veronika Hartmann

Im nordwestlichen Eingangsbereich der Hagia Sophia in Istanbul befindet sich eine Wunschspalte: Ein Loch in einer Säule, von einer Metallplatte verstärkt. Christen und Muslime eint der Aberglaube, dass diese Spalte Wünsche erfüllen kann, wenn man den Daumen hinein steckt und die Hand 360 Grad im Kreise dreht.

Doch im Moment geht es nicht darum, die Wünsche der mehr als drei Millionen Touristen zu erfüllen, die jedes Jahr in das ehemalige Gotteshaus strömen. Die künftige Nutzung steht wieder in der Diskussion. "Ich wünsche mir, dass - Inschallah (So Gott will) - die Tage, an denen die Hagia Sophia wieder lachen kann, bald anbrechen werden", orakelte der stellvertretende türkische Ministerpräsident Bülent Arinc jüngst. Der Vize-Regierungschef versprach damit indirekt, dass die ehemalige Kirche schon bald wieder zum Gebet geöffnet wird - für Muslime.

Maßnahme zur Islamisierung oder nur Wahlpropaganda?

Die spätantike Kuppelbasilika aus dem 6. Jahrhundert war über Jahrhunderte die Hauptkirche des byzantinischen Reiches und Zentrum der orthodoxen Ostkirche. Nach der Eroberung Konstantinopels 1453 durch die Osmanen wurde sie zur Hauptmoschee. Auf Anregung des türkischen Staatsgründers Atatürk wurde die Moschee 1935 in ein Museum umgewandelt. Nationalistisch-islamischen Türken sind die Ticketbaracken am Eingang ein Dorn im Auge. Statt Eintritt zu bezahlen, möchten sie ihr Gebet in der Hagia Sophia verrichten, um so an die Tradition Sultan Mehmets II. anzuknüpfen. Nach dem Fall Konstantinopels soll er hier das erste Freitagsgebet verrichtet haben.

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Im griechisch-orthodoxen Patriarchat in Istanbul begegnet man dem neuerlichen Vorstoß mit Gelassenheit. Erzpriester Dositheos Anagnostopoulos, für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Ehrenoberhaupts der orthodoxen Christenheit zuständig, denkt, dass die Diskussion in erster Linie innenpolitisch motiviert ist und die Wähler für die Regierungspartei AKP einnehmen soll. Im nächsten Jahr finden in der Türkei Kommunalwahlen statt. Deshalb gelte es davon abzulenken, dass Regierungschef Erdogan gerade kalter Wind aus den eigenen Reihen entgegenbläst.

"Wenn er die Wahlen gewinnt, wird Erdogan auch den Minderheiten gegenüber wieder einen milderen Kurs fahren", erwartet Anagnostopoulos. Anders als viele seiner Glaubensbrüder im Ausland hoffen weder er noch Patriarch Bartholomäus darauf, dass die Hagia Sophia jemals wieder Kirche werden könnte. Sie wünschen sich, dass der jüngste Vorstoß der nationalistischen Gläubigen ebenso im Sand verlaufen wird wie die vorangegangenen. Als Museum stehe die Hagia Sophia allen offen, sagt Dositheos und fügt hinzu, dass niemand Gläubige daran hindere könne, dort zu beten.

Politiker klagt Freitagsgebet in der ehemaligen Kirche ein

Unterdessen versucht Yusuf Halacoglu, ehemaliger Vorsitzender der Türkischen Historischen Gesellschaft und inzwischen Fraktionschef der nationalistischen Oppositionspartei MHP, sein Freitagsgebet in der ehemaligen Kirche einzuklagen: er reichte im Parlament einen entsprechenden Antrag ein. Darin stützt er sich auf die Behauptung, dass die Unterschrift unter dem Beschluss zur Umwandlung der Moschee in ein Museum gefälscht sei. Zudem sei der Beschluss nicht rechtsgültig, weil er nie im Staatsanzeiger veröffentlicht worden ist. Kritiker argumentieren, Atatürk wäre eingeschritten, wäre die Umwandlung nicht in seinem Sinne gewesen.

Die türkische Religionsbehörde Diyanet hat bisher nicht Stellung zur Umnutzung der Hagia Sophia bezogen. Allerdings betete Diyanet-Leiter Mehmet Görmez erst vor kurzem das Freitagsgebet in der Hagia Sophia - allerdings nicht in dem symbolträchtigen Bau in Istanbul, sondern in der gleichnamigen Moschee in Trabzon an der Schwarzmeerküste. Die ehemalige orthodoxe Kirche wurde im Sommer zur Moschee umgewidmet, wie bereits zwei Jahren zuvor die Hagia Sophia im historischen Nicäa, dem heutigen Iznik.

Für Erzpriester Dositheos ist eine weitaus wichtigere Frage, wann mit der Wiedereröffnung des orthodoxen Priesterseminars auf Chalki zu rechnen ist. Bis zur Schließung durch den türkischen Staat im Jahre 1971 war Chalki die wichtigste christliche Theologische Hochschule des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel. Eine Wiedereröffnung, wie sie vor allem Politiker im Westen fordern, stellt die türkische Regierung seit Jahren in Aussicht, unternimmt bislang aber keine konkreten Schritte. Die griechisch-orthodoxe Kirche sieht sich deshalb vor erheblichen Schwierigkeiten, wenn es um die Ausbildung von Priesternachwuchs geht.