Beschneidungsgesetz
Foto: dpa/Wolfgang Kumm
12. Dezember 2012: Der Bundestag stimmt über das Beschneidungsgesetz ab. Vorausgegangen war ein umstrittenes Urteil. Die Richter sahen das religiöse Ritual als Körperverletzung an.
Beschneidung: Spagat zwischen Religion und Medizin
Unzureichende Aufklärung, fehlende Schmerzbehandlung - Kritiker der Jungenbeschneidung aus religiösen Gründen geben auch ein Jahr nach der Verabschiedung des Beschneidungsgesetzes keine Ruhe. Sie sehen darin einen unrechtmäßigen Eingriff in den Körper von Jungen.
12.12.2013
epd
Corinna Buschow

Bei Juden und Muslimen ist die Jungenbeschneidung jedoch zentrales Ritual und soll nach dem Willen des Gesetzgebers weiter erlaubt sein. Nun zogen Kinderschutz- und Kinderarztverbände ein Fazit nach einem Jahr Beschneidungsgesetz. Sie halten es für unwirksam. "Wir fühlen uns nicht berufen, die rituelle Beschneidung von Jungen zu verbieten", sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie, Bernd Tillig. Was er fordert, würde in der Konsequenz aber genau das bedeuten.

Die Debatte ging trotz Gesetz weiter

Ein Jahr lang verhielten sich die Gegner des Gesetzes zur Legitimierung der Jungenbeschneidung weitgehend ruhig. Nachdem der Bundestag am 12. Dezember 2012 das Gesetz verabschiedete, das Eltern die Einwilligung in eine Beschneidung ihres Sohnes aus anderen als medizinischen Gründen erlaubt, schien Normalität eingekehrt zu sein. Nötig war das Gesetz, weil das Landgericht Köln wenige Monate zuvor dieses Ritual als Körperverletzung gewertet hatte.

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Bei den Religionsgemeinschaften überwog nach der Verabschiedung Erleichterung. Dass eines ihrer zentralen Rituale ausgerechnet in Deutschland infrage gestellt worden war, machte Juden große Sorgen. Wie tief Bestürzung und Angst damals waren, wurde vor kurzem deutlich, als der Zentralrat der Juden den Leo-Baeck-Preis an den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, vergab. Schneider hatte sich in der Debatte eindeutig für die Beschneidung positioniert. "Freunde erkennt man, wenn man sie braucht", sagte Zentralratspräsident Dieter Graumann damals.

Trotz neu gewonnener Rechtssicherheit ging die Debatte um die Beschneidung aber längst weiter. Im Oktober verabschiedete die Parlamentarische Versammlung des Europarats eine Resolution zu Kinderrechten, in der in einer Reihe Genitalverstümmelung, Jungenbeschneidung, Tattoo- und Ohrringstechen bei Kindern "mit besonderer Sorge" betrachtet wird. Es folgte ein Aufschrei in der jüdischen Gemeinschaft.

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Die Gegner einer Erlaubnis der Jungenbeschneidung fühlen sich zudem von zwei weiteren Entwicklungen im vergangenen Jahr bestärkt. Da ist zum einen der Fall des Berliner Rabbiners Yehuda Teichtal, dessen Sohn nach ultra-orthodoxer Methode beschnitten wurde. Dabei wird das Blut der Wunde mit dem Mund und nicht mit der Pipette abgesaugt. Weil es ein hohes Risiko für Infektionen und Krankheitsübertragung birgt, lehnt es selbst der Zentralrat der Juden strikt ab. Teichtal und der israelische Beschneider wurden angezeigt, die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen Teichtal inzwischen aber eingestellt - für Beschneidungsgegner ein Skandal.

Vollnarkosen kommen bei Neugeborenen nicht infrage

Zum anderen fühlen sie sich durch eine Änderung im Beipackzettel der Schmerzsalbe Emla bestätigt, die regelmäßig bei Säuglingsbeschneidungen eingesetzt wird. Bis vor wenigen Monaten stand dort, dass es gute Erfahrungen beim Einsatz bei Beschneidungen gibt. Diesen Satz hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gestrichen, weil er durch Studien nicht belegt sei.

Ein Sprecher der Zulassungsstelle betont aber, Emla sei weder vor noch nach der Änderung für Beschneidungen zugelassen gewesen. Was dieser sogenannte "off-label use" für die Rechtmäßigkeit der Praxis bei religiösen Beschneidungen bedeutet, will er nicht kommentieren. Die zulassungsüberschreitende Anwendung jedenfalls komme besonders in der Kindermedizin häufiger vor.

Zumal es keine Alternative gibt: Vollnarkosen kommen bei Neugeborenen nicht infrage. "Es ist ein Dilemma", räumt Kinderchirurg Tillig ein. Er will die Erlaubnis einer Beschneidung an eine vertretbare und nachgewiesen wirksame Schmerzbehandlung geknüpft sehen. Weil es die aber nicht gibt, käme die Pflicht dazu einem Verbot der auf den achten Tag nach der Geburt festgelegten Beschneidung bei Juden gleich. Tillig fordert die Religionsgemeinschaften auf, dieses Dilemma zu diskutieren. "Wir fühlen uns nicht berufen, das zu lösen", sagt er.