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TV-Tipp des Tages: "Das Jerusalem-Syndrom" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Das Jerusalem-Syndrom", 11. Dezember, 20.15 Uhr im Ersten
Die hochschwangere Maria ist in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden, weil sie sich für die Mutter Gottes hält. Ruth findet raus, dass sie einer Sekte angehört, die die traditionellen Regeln des Christentums befolgt.

Ein Stoff wie gemacht für RTL oder ProSieben: Die Mitglieder einer fundamentalistischen Sekte sind überzeugt, die Rückkehr Christi und damit die Apokalypse stehe bevor. Ein Anschlag in Jerusalem soll einen Weltenbrand auslösen, der sämtliche Ungläubige von Antlitz der Erde hinwegfegt. Tatsächlich hat Don Bohlinger für RTL schon den düsteren Thriller "Das jüngste Gericht" (2008) geschrieben. Anders als thematisch verwandte Werke wie "Das Jesus Video" oder "Der Bibelcode" (beide ProSieben) ist "Das Jerusalem-Syndrom" kein Werk, das sich an erfolgreiche Dan-Brown-Verfilmungen ("The Da Vinci Code") anhängen will. Zentrale Figur ist allerdings auch hier eine atheistische Wissenschaftlerin. Ruth Gärtner wird von ihrem Vater nach Jerusalem geschickt, um dort nach ihrer Schwester zu schauen: Die hochschwangere Maria ist in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden, weil sie sich für die Mutter Gottes hält. Ruth findet raus, dass sie einer Sekte angehört, die die traditionellen Regeln des Christentums befolgt. Sie will ihre jüngere Schwester mit nach Hause nehmen, doch Maria befindet sich schon wieder in der Obhut der Sekte. Nach dem Plan des Anführers wird die junge Frau dort gebären, wo einst auch Jesus das Licht der Welt erblickt hat; gleichzeitig soll ein Fanal den Jüngsten Tag einleiten.

Ruths Angst um ihre Schwester

Don Bohlingers Drehbuch ist von Martin Rauhaus bearbeitet worden, verfilmt wurde es von Dror Zahavi. Ein Thriller im Stile Dan Browns wäre in der Tat ein ungewöhnlicher Stoff für den seit vielen Jahren in Berlin lebenden Israeli, der sich spätestens mit seinem Kinofilm "Alles für meinen Vater" als Fachmann für ausgesprochen anspruchsvolle Stoffe etabliert hat; es folgten unter anderem die Dramen "Mein Leben – Marcel Reich-Ranicki", "Zivilcourage", "München 72 – Das Attentat" sowie "Und alle haben geschwiegen". Natürlich sorgen die hektischen Anstrengungen, ein die islamische Welt in Aufruhr versetzendes Attentat zu verhindern, am Ende für vordergründige Spannung, doch das emotionale Zentrum der Geschichte ist Ruths Angst um ihre Schwester. Die Besetzung dieser Rolle mit Jördis Triebel war eine ebenso ungewöhnliche wie gute Idee. Sie verkörpert die Biologin als kontrollierte Persönlichkeit, die dank entsprechender Brille und Frisur ausgesprochen streng wirkt. Beiläufig eingestreute biografische Angaben erklären, warum Ruth ganz im Gegensatz zu ihrer Schwester (Leonie Benesch) allem Glauben und Aberglauben so skeptisch gegenübersteht.

Das Bindeglied zwischen den beiden unterschiedlichen Frauen verkörpert der israelische Psychiater Peled (Benjamin Sadler), der seine Philosophie in einem sehr interessanten Satz zusammenfasst: Spricht ein Mensch mit Gott, ist das ganz normal, aber vernimmt er Gottes Antwort, gilt er als verrückt. Peleds Frage, ob sie religiös sei, beantwortet Ruth mit einer Feststellung, die in ihrer klaren Haltung keinen Widerspruch zulässt: "Nein, ich bin Wissenschaftlerin." Umso reizvoller und faszinierender ist naturgemäß die Konfrontation dieser Frau mit der Krankheit, unter der ihre Schwester leidet, zumal dieses Syndrom tatsächlich existiert.

Es handelt sich um eine psychotische Störung: Labile Besucher der "Heiligen Stadt" halten sich plötzlich für berühmte Gestalten aus der Bibel. Natürlich hat der Film dank der Bildgestaltung (Carl-F. Koschnick) sowie Verfolgungsjagden, moderaten Schockmomenten, entsprechend bedrohlichen Toneffekten und dem zugespitzten Finale auch die für das Genre obligaten Elemente zu bieten; dennoch ist "Das Jerusalem-Syndrom" vor allem ein emotionaler Thriller.