Maria ist 14 und seit vier Wochen für ihre drei kleinen Geschwister verantwortlich: Die Mutter kam beim Taifun "Haiyan" ums Leben, der vor einem Monat eine Schneise der Verwüstung auf den Philippinen schlug. Auch Hab und Gut hat die Familie verloren. "Maria steht vor dem Nichts und muss sich um ihre Geschwister kümmern", berichtete Angelika Böhling von der Kindernothilfe, die dieser Tage von den Philippinen zurückkam. Eine unermessliche Herausforderung, denn die Kleinen leiden sehr - an Körper und Seele.
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"Ich habe viele sehr verstörte, traumatisierte Kinder gesehen", sagte Böling. "Sie haben große Angst und Alpträume. Wenn wir das jetzt nicht behandeln, tragen die Kinder das ein Leben lang mit sich herum."
Von den Überlebenden, die nach dem Jahrhundert-Taifun auf Hilfe angewiesen sind, ist nach UN-Angaben fast die Hälfte jünger als 18 Jahre. Rund 15 Millionen Menschen waren laut dem UN-Kinderhilfswerk Unicef direkt von dem verheerenden Sturm betroffen, darunter rund sechs Millionen Kinder und Jugendliche. Bis Anfang Dezember galten offiziell 5.600 Menschen als tot. Millionen Menschen wurden obdachlos, Unicef schätzt, dass darunter mindestens 1,6 Millionen Kinder und Jugendliche sind.
"Viele Kinder im Katastrophengebiet weisen akute Zeichen von Stress und Trauma auf", erklärte Unicef am Freitag. "Eltern berichten, dass ihre Kinder unruhig sind, weinen und nachts Angst haben." Böhling von der Kindernothilfe fiel auf: "Viele Kinder blicken ins Leere, dann überreagieren sie wieder mit lautem Lachen." Auf ein "Hallo" ihrerseits sei einem kleinen Jungen sofort herausgeplatzt, wie furchtbare Angst er habe, dass der Taifun zurückkomme.
Schutzräume gegen die Angst for dem nächsten Sturm
"Einige Kinder haben nicht nur ihre Angehörigen, sondern auch ihre besten Schulfreunde verloren", berichtete Pilgrim Bliss Gayo, die Landeskoordinatorin des Osnabrücker Kinderhilfswerks terre des hommes auf den Philippinen. Ihre Projektpartner haben auf die besonderen emotionalen Bedürfnisse der Kinder reagiert: Mit entsprechender Betreuung soll ihnen die Angst genommen werden, "die schon bei leichtem Regen oder dem Geräusch des Windes" übermächtig wird.
In der allgemeinen Not wachse auch die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche ausgebeutet oder missbraucht würden, warnte Unicef-Sprecher Rudi Tarneden. "Besonders junge Mädchen sind jetzt von sexueller Ausbeutung bedroht." An einem Flughafen, wo Evakuierte aus dem Katastrophengebiet ankommen, hätten die Behörden gerade die Rekrutierung von Kindern als Landarbeiter verhindert. In Tacloban seien in der vergangenen Woche mehrere Dutzend unbegleitete Kinder registriert worden.
Um den Kindern eine einigermaßen sichere Umgebung zu schaffen, haben die Hilfsorganisationen eigene Kinderzonen eingerichtet. In diesen Schutzräumen werden sie von speziell geschulten Mitarbeitern betreut. "Die Kinder brauchen viel Ruhe und Zuwendung, aber auch ärztliche Hilfe", sagte Bliss Gayo. Wichtig sei, dass sie bald wieder in einem geregelten Schulalltag aufgefangen werden könnten. In den besonders schwer verwüsteten Gebieten gehen laut Unicef bislang nur ein Fünftel der Kinder wieder zum behelfsmäßigen Unterricht.
Gefahr von Krankheiten und Epidemien
Unterdessen stockt die Versorgung in einigen Regionen noch immer. Im Norden der Insel Iloilo stießen deutsche Helfer in der vergangenen Woche auf Gebiete, in denen die Menschen bislang ohne Lebensmittelhilfen auskommen mussten.
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"Die Leute haben wirklich gehungert", berichtete Böhling. "Vor allem die Kinder untersuchen unsere lokalen Partner auf Unterernährung, um schwere Spätfolgen abzuwenden." Auch terre des hommes und Unicef betonen diesen Schwerpunkt: Gemeinden im Katastrophengebiet sollen in die Lage versetzt werden, Kinder mit Mangelernährung selbst zu behandeln und zu versorgen.
Auch das Risiko von gefährlichen Krankheiten und Epidemien sei noch lange nicht gebannt, mahnt Unicef. Lebensgefährlicher Durchfall oder Infektionen wie Masern, Tetanus oder Lungenentzündung seien insbesondere für die geschwächten Kinder eine große Gefahr.