Es ist relativ einfach, Filme wie "Kleine Schiffe" als trivial abzukanzeln. Dabei ist gerade das leichte Fach so schwer: Fernsehen von der Stange ist keine Kunst; aus einer im Grunde einfachen Geschichte eine liebenswerte Komödie zu machen, sehr wohl. Der Österreicher Matthias Steurer beweist immer wieder, das man auch scheinbar schlichte Stoffe anspruchsvoll umsetzen kann. Nicht alle Arbeiten haben sich so nachhaltig eingeprägt wie das Toleranzplädoyer "Zimtstern und Halbmond", aber gerade seine ARD-Freitagsfilme ("Das Glück ist eine Katze") sind in der Regel sehenswert. Für "Kleine Schiffe" gilt das nicht minder, zumal auch Autor Volker Krappen für Qualität steht; nach seinen Drehbüchern entstanden unter anderem das romantische Drama "Eine halbe Ewigkeit" sowie die Messie-Komödie "Woran dein Herz hängt", ebenfalls beides Produktionen für die ARD-Tochter Degeto.
"Kleine Schiffe" basiert auf dem gleichnamigen Roman von Silke Schütze und erzählt die Geschichte der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen zwei Frauen, die eigentlich wie Feuer und Wasser sind: Kontroll-Freak Franziska (Katja Riemann) bekommt mit Mitte vierzig endlich das ersehnte Baby; die Nachricht erfährt sie just an dem Tag, als Gatte Andreas (Hans-Werner Meyer) nicht nur die Nachwuchsbemühungen, sondern gleich das ganze Projekt Ehe ad acta legt, um sich einer Jüngeren zuzuwenden. Allerdings sorgt die turbulente Lilli (Aylin Tezel) dafür, dass Franziska sich ihre Abtreibungsgedanken aus dem Kopf schlägt und nicht lange allein bleibt: Obwohl der nicht minder schwangere Wirbelwind der komplette Gegenentwurf zu ihr ist, freunden sich die beiden Frauen an. Franziska nimmt die mittelose junge Künstlerin unter ihre Fittiche, und Lilli revanchiert sich, indem sie ein bisschen Chaos in ihr Leben bringt. Alles wäre wunderbar, wenn Andreas nicht eines Tages reumütig zurück in sein altes Leben zurückwollte.
Selbst wenn es sonst nichts Lobendes zu erwähnen gebe: Allein das Zusammenwirken von Katja Riemann und Aylin Tezel sprüht nur so von Lebens- und Spielfreude. Wunderbar geschrieben, gespielt und inszeniert sind zum Beispiel Franziskas Zwangsneurosen, die Riemann aber mit so viel Würde versieht, dass die Figur nie der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Mimisch und körpersprachlich findet sie ohnehin genau das richtige Maß für die Figur. Während sie in ihren letzten Rollen oft betont unterkühlt agierte, versieht sie Franziska hinter der neurotischen Schale mit viel Wärme. Jungbrunnen Tezel wiederum, im "Tatort" aus Dortmund meist sehr kontrolliert, darf hier ähnlich überschäumend agieren wie als "Aschenputtel". Wunderbare Ergänzung und eine echte Entdeckung ist Christoph Schechinger als angehender Flugzeugingenieur, der zwar deutlich jünger als Franziska ist, aber mehr für sie empfindet, als er sich (und ihr) zunächst eingestehen will ist. Schechinger trägt seine Dialoge derart trocken vor, als würde er nie was anderes machen, dabei hat er bislang gerade mal in einer Handvoll Filme mitgewirkt.
Autor:inTilmann P. GangloffTilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Nicht minder schön ist die Rolle von Peter Franke als Franziskas Vater, der im Nu einen Narren an Lilli frisst, zumal er seinen Schwiegersohn ohnehin nie leiden konnte. Aber "Kleine Schiffe" ist nicht nur hörenswert, auch wenn Krappen den Darsteller großartige Dialoge in den Mund gelegt hat, sondern auch sehenswert, denn Steurer und Kameramann Stefan Ditner erfreuen immer wieder durch raffinierte Einstellungen. Ein richtig schöner Zeitvertreib am Freitagabend, zumal Krappen die Geschichte im Gegensatz zum Buch ungleich zeitgemäßer enden lässt.