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TV-Tipp des Tages: "Geheimsache Ghettofilm" (Arte)
TV-Tipp des Tages: "Geheimsache Ghettofilm", 3. Dezember, 23.25 Uhr auf Arte
Im Mai 1942 wurde ein kleines Filmteam in geheimem Auftrag der Nazis in das Warschauer Ghetto entsandt. Kurz vor der Deportation der Ghettobewohner inszenierte dieses Team mit jüdischen Zwangsdarstellern Filmaufnahmen wie nach einem Drehbuch.

Frühjahr 1942 im Warschauer Ghetto: Ein Kamerateam macht im Auftrag des Propagandaministeriums Aufnahmen. Das Material wird jedoch nie für einen eigenen Film verwendet; bis heute lässt sich nicht lückenlos klären, was man damit vorhatte. Die Art und Weise der Inszenierung legt allerdings nahe, dass ein Gegensatz konstruiert werden sollte: Neben unverfänglichen Alltagsszenen mit Passanten und spielenden Kindern zeigen die Bilder Menschen, die in Luxus schwelgen, und andere, die auf der Straße gestorben sind. Womöglich wollten die Nationalsozialisten suggerieren: Die Juden leben in Saus und Braus, während die Deutschen vor Hunger krepieren. Der Plan ging immerhin zum Teil auf: Nach dem Zweiten Weltkrieg tauchten die Aufnahmen in Dokumentationen über das Leben im Warschauer Ghetto auf. Ihr Wahrheitscharakter ist offenbar nicht hinterfragt worden.

Verwirrende Bilder

Die israelische Regisseurin Yael Hersonski holt das in ihrer Dokumentation "Geheimsache Ghettofilm" nach. Sie hat die Fragmente Überlebenden vorgeführt, Männern und Frauen, die damals noch Kinder waren. Sie sitzen nun in einem Kino und werden mit Bildern konfrontiert, die sie verwirren. Die Personen auf der Leinwand leben in großzügigen Wohnungen, Nahrung gibt es im Überfluss, sie feiern Feste und führen ein offenkundig beneidenswertes Leben. Die Schilderungen der polnischen Juden, die sich an die Deutschen mit den Kameras erinnern, beschreiben eine völlig andere Realität: Ganze Familien waren auf engstem Raum zusammengepfercht, Kinder schmuggelten unter Lebensgefahr Gemüse ins Ghetto. Sollte es tatsächlich Menschen gegeben haben, denen es vergleichsweise gut ging, waren das nur ganz Wenige. Alle anderen haben versucht, sich unter unmenschlichen Bedingungen einen Rest Würde zu bewahren.

Und noch eine Ebene sorgt für eine Korrektur der NS-Propaganda: Immer wieder ergänzt Hersonski die Bilder um Zitate aus Tagebüchern. Die in einem Bunker entdeckten Originalaufnahmen selbst sind stumm, es gibt weder einen Kommentar noch eine Tonspur. Die Regisseurin hat sich die künstlerische Freiheit erlaubt, moderat entsprechende Geräusche zu unterlegen: das Quietschen einer Straßenbahn, das Gemurmel einer Menschenmenge, Pferdehufe. Den eigenen Kommentar, gesprochen von den Schauspielerinnen Julia Jäger und Carmen Maja Antoni, beschränkt sie aufs Nötigste.

Auf einer dritten Ebene greift Hersonski zwar unverblümt zum Mittel der Rekonstruktion, sorgt aber durch ihre Inszenierung dafür, dass sich die Szenen deutlich vom üblichen "Re-Enactment" abheben. Im Rahmen eines Prozesses hatte einer der Kameramänner Jahrzehnte nach dem Krieg von seiner Arbeit im Ghetto berichtet. Auch er wusste nicht, welchem Zweck die Aufnahmen dienen sollten. Anfangs hört man lange nur seine Stimme, erst später sieht man Teile seines Gesichts. Aber die Regisseurin zeigt ihn nie frontal, so dass der Schauspieler Rüdiger Vogler völlig hinter dem Zeitzeugen verschindet.

Ähnlich sparsam setzt Hersonski in dieser israelisch-deutschen Koproduktion die Musik ein. Es handelt sich ohnehin eher um dissonante Klangfolgen als um Melodien, so dass man gar nicht erst Gefahr läuft, die Bilder aus dem Ghetto falsch zu verstehen. Alles, was von den Menschen bleibt, heißt es am Ende, "sind ihre stummen Schatten auf einem Streifen Zelluloid."